Änderung des Nachweisgesetzes – Folgen für die elektronische Signatur  

Veröffentlicht 25.07.2022

Dr. Kilian Friemel Fachanwalt für Arbeitsrecht Taylor Wessing

Beitragsbild Blogartikel Nachweisgesetz elektronische Signatur

Bereits seit 1995 sind Arbeitgeber in Deutschland durch das Nachweisgesetz (NachwG) verpflichtet, die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen und dem Arbeitnehmer eine unterzeichnete Niederschrift auszuhändigen. Bislang waren Verstöße gegen diese Nachweispflicht praktisch bedeutungslos. Das ändert sich allerdings zum 1. August 2022.  

Änderung des Nachweisgesetzes  

Zur Umsetzung der europäischen Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen hat der Deutsche Bundestag einen entsprechenden Gesetzesentwurf verabschiedet. Die geplante Änderung des Nachweisgesetzes erweitert die bestehenden Verpflichtungen und verlangt von Arbeitgebern, die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen.

Was ändert sich im Nachweisgesetz?

Die bereits bestehenden Nachweispflichten werden unter anderem um die folgenden Informationen ergänzt:  

  • Die Zusammensetzung des Arbeitsentgelts, inklusive Angaben zu Fälligkeit und Höhe der Vergütung, Vergütungsbestandteilen und Überstunden sowie Art und Zeitpunkt der Auszahlung; 
  • Die Arbeitszeit inklusive vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten; 
  • Hinweis auf die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen (sofern vereinbart); 
  • Das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage; 
  • Die Dauer der Probezeit, sofern vereinbart. 

Zwar finden sich die meisten dieser Informationen bereits in einem gut formulierten, schriftlichen Arbeitsvertrag. Neu im Nachweisgesetz ist allerdings, dass Verstöße gegen diese Pflicht zur Aushändigung der wesentlichen Arbeitsvertragsbedingungen zukünftig als Ordnungswidrigkeit behandelt werden.  

Verschärfung des Verfahrens – Sanktionen bei Nichteinhaltung der Schriftform 

Neben den inhaltlichen Anforderungen verschärft sich damit insbesondere das Verfahren zur Erbringung des Nachweises. Dies betrifft insbesondere den Zeitpunkt der Erbringung des Nachweises sowie die Sanktion im Falle eines Verstoßes der Nachweispflicht.

Wann muss die Erbringung des Nachweises erfolgen?

Bislang genügte die Unterrichtung innerhalb eines Monats nach Beginn des Arbeitsverhältnisses. Zukünftig muss die Erbringung des Nachweises über die wichtigsten Vertragsbedingungen (Name und Anschrift der Parteien, Höhe des Arbeitsentgelts und vereinbarte Arbeitszeit) allerdings bereits am ersten Tag der Arbeitsleistung erfolgen. 

Wie teuer ist ein Verstoß gegen die Nachweispflicht?

Neu ist auch, dass Verstöße gegen das Nachweisgesetzt nun eine Ordnungswidrigkeit darstellen, die mit einem Bußgeld von bis zu EUR 2.000 für jeden Einzelfall sanktioniert werden können. Demnach besteht ein Risiko für den Arbeitgeber, sobald er die Niederschrift mit den wesentlichen Vertragsbedingungen nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig aushändigt.  

Rechtliche Anforderungen zur Erfüllung der Schriftform 

Nach der EU-Richtlinie ist die elektronische Übermittlung ausdrücklich zulässig, doch blieb es bei der Umsetzung in deutsches Recht dabei, dass die elektronische Form zum Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen explizit ausgeschlossen ist. Bedeutet: Auch eine qualifizierte elektronische Signatur genügt den Anforderungen des Nachweisgesetzes ausdrücklich nicht.  

Elektronische Form zur Nachweispflicht in Deutschland ausgeschlossen

Zwar wurde das Festhalten am Schriftformerfordernis im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens intensiv diskutiert, konnte sich allerdings, trotz der Bedenken im Hinblick auf den damit verbundenen bürokratischen Aufwand für Unternehmen und das faktische Digitalisierungshemmnis, nicht bei den Koalitionsparteien durchsetzen.  

Eine konkrete Prognose darüber, wie streng die Voraussetzungen des Nachweisgesetzes tatsächlich exekutiert werden, wie die Kontrolle der Einhaltung des Nachweisgesetzes konkret ablaufen werden und ob mittelfristig vielleicht doch mit Korrekturen zu rechnen sein wird, ist zum aktuellen Zeitpunkt kaum möglich. 

Verpflichtung zur Niederschrift der Arbeitsvertragsbedingungen nach dem Nachweisgesetz

Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist es jedenfalls so, dass Arbeitgeber zur schriftlichen Niederlegung, Unterzeichnung und Aushändigung der wesentlichen Arbeitsvertragsbedingungen an den Arbeitnehmer verpflichtet sind und bei Verstoß gegen diese gesetzliche Vorgabe ein Bußgeld verhängt werden kann. Im Falle der Nichteinhaltung des strengen Schriftformerfordernisses besteht damit zumindest ein ganz konkretes Risiko. 

Fazit – Das Ende digital signierter Arbeitsverträge? 

Durch die Gesetzesänderung besteht für Arbeitgeber damit die Pflicht, allen Mitarbeitern, die ab dem 1. August 2022 ein neues Arbeitsverhältnis beginnen, eine handschriftlich unterzeichnete Niederschrift ihrer wesentlichen Inhalte des Arbeitsvertrages nach dem Nachweisgesetz auszuhändigen.  

Für Unternehmen, die bereits dazu übergegangen sind, ihren Arbeitnehmern elektronisch unterzeichnete Arbeitsverträge auszuhändigen, bedeutet das allerdings nicht das Ende der elektronisch unterzeichneten Arbeitsverträge. Vielmehr muss lediglich sichergestellt werden, dass den Arbeitnehmern an ihrem ersten Arbeitstag ein mit Originalunterschrift des Arbeitgebers versehener Nachweis über ihre wesentlichen Arbeitsvertragsbedingungen ausgehändigt wird. Dabei muss es sich nicht zwingend um den zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag handeln, es genügt vielmehr die vom Arbeitgeber unterzeichnete Niederschrift der wesentlichen Arbeitsvertragsbedingungen.  

Was mache ich, wenn ich trotzdem digital arbeiten möchte?

Tatsächlich gibt es wasserdichte Workarounds: Die Personalabteilung wickelt den ganzen Vorgang wie bisher elektronisch ab. Beide Vertragspartner unterschreiben den Arbeitsvertrag digital. Nun gibt es zwei Optionen:

a) Zusatzschritt: Eine dritte Person (Personalabteilung oder ein gesonderter Bereich) druckt die Niederschrift (one Pager) aus und schickt sie per einfacher Post spätestens drei Tage vor Arbeitsbeginn an den:die Mitarbeiter:in. Diese:r wird darin aufgefordert, per Whatsapp, SMS oder E-Mail zu bestätigen, dass er:sie das Schreiben mit Originalunterschrift erhalten hat. Es wird ihm:ihr mitgeteilt, dass er:sie nicht anfangen darf, bevor er:sie diese Bestätigung nicht geschickt hat.

b) Zusatzschritt: Ein:e Mitarbeiter:in/Vorgesetzte:r erhält am ersten Arbeitstag vor Ort die Niederschrift (one Pager) elektronisch, unterschreibt diese im Original und übergibt sie. Dies wird elektronisch an die Personalabteilung zurückgemeldet: „Ich habe heute die Niederschrift mit meiner Originalunterschrift um XX:XX Uhr an den Mitarbeiter ausgehändigt.“ Mehr kann man als Nachweis nicht verlangen.

Zwischen Nachweisgesetz (NachwG) und digitaler Transformation