Onlinezugangsgesetz: Wo steht die bürgerfreundlichste Verwaltung Europas heute?

Veröffentlicht 14.12.2022

Philipp Perplies Geschäftsführer d.velop public sector GmbH

Beitragsbild Onlinezugangsgesetz

„Wir werden die bürgerfreundlichste und anwenderfreundlichste Verwaltung Europas haben – bis 2021“, verkündete der damalige Kanzleramtsminister Peter Altmaier im Jahr 2017. Er sei sogar bereit, zwölf Flaschen guten Grauburgunders darauf zu verwetten. Top, die Wette gilt!

„Wenn der Staat die digitale Herausforderung ernst nimmt, kann er nicht Sterbe- und Geburtsurkunden ausstellen wie zu Zeiten von Kaiser Wilhelm“, so der CDU-Politiker damals.

Ob Altmaier seinen Weinkeller bereits mit dem edlen Tropfen gefüllt hat? Schließlich will die kühne Wette am Ende der Legislaturperiode im September 2021 eingelöst sein. Wie ernst jedoch der Staat die digitale Herausforderung nimmt, zeigt sich an der erfolgreichen Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) am Jahresende 2022.

Update: Umsetzung des Onlinezugangsgesetz im Dezember 2022 – Der letzte Stand vor Ablauf der Frist

Der Nationale Normenkontrollrat (NRK) lobt in seinem am 13. Dezember veröffentlichen Jahresbericht 2022 zwar „gewisse Erfolge“ und „großes Engagement der Beteiligten in Bund, Ländern und Kommunen“ bei der Umsetzung des OZG. Im nächsten Atemzug der Kernbotschaft spricht das unabhängige Expertengremium jedoch Klartext: Im fünften Jahr der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes und zwei Monate1 vor Ende der Umsetzungsfrist stünden den Bürgern:innen und Unternehmen gerade mal 33 von 575 Verwaltungsleistungen flächendeckend und nutzerfreundlich – online – zur Verfügung. Davon seien 29 reine Bundesleistungen, die an sich flächendeckend verfügbar wären. Gründe für die Misere benennt der NRK ebenfalls: Es seien strukturelle Herausforderungen im Zusammenwirken der Ebenen, die bisher nicht gelöst seien, etwa komplizierte Strukturen, fehlende Standardisierung und mangelnde Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen.

„Gut gemachte Verwaltungsdigitalisierung geht mit einer Vereinfachung der zugrunde liegenden Verwaltungsprozesse einher, bietet Serviceleistungen aus einer Hand und sucht Daten und Nachweise aufseiten der Verwaltung zusammen, anstatt Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen damit zu belasten.“ Der Nationale Normenkontrollrat, Jahresbericht 2022

Auch der sogenannte OZG-Booster, initiiert von der Bundesregierung und den Ländern, habe keine spürbar schnellere Fertigstellung ausgewählter OZG-Leistungen mit sich gebracht. Der NRK verweist außerdem auf die jährlichen internationalen Digitalisierungs-Rankings, bei denen Deutschland unter allen entwickelten Staaten seit Jahren im hinteren Mittelfeld „festsitzt“. Trotz aller Kritik an den Digitalisierungs-Ergebnissen finden in dem Jahresbericht des NRK auch die gewonnenen Erkenntnisse, warum die Digitalisierung der Verwaltung in Deutschland „so schwergängig ist“, ihren berechtigten Platz. Aus Sicht des NRK ist der Blick auf das anstehende Folgegesetz OZG 2.0 ebenfalls dringend nötig.

Was ist das Onlinezugangsgesetz?

Am 18. August 2017 ist das Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (Onlinezugangsgesetz – OZG) in Kraft getreten. Demnach werden Bund, Länder und Kommunen verpflichtet, bis spätestens Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen auch digital über Verwaltungsportale anzubieten. Darüber hinaus müssen die Portale zu einem Portalverband verknüpft werden. Die Verwaltungsleistungen der Kommunen müssen wiederum über die Portale der Länder angebunden werden. Die Leistungen sind im OZG-Umsetzungskatalog erfasst.

Insgesamt wurden 575 sogenannte OZG-Leistungen ermittelt, die es nun gemäß Onlinezugangsgesetz zu digitalisieren gilt. Die meisten Zuständigkeiten werden zwischen Bund und Ländern aufgeteilt.

Aufteilung der Zuständigkeiten von Regelung und Vollzug für OZG-Leistungen
Eine Übersicht über die Zuständigkeiten bei Bund, Ländern und Kommunen

Was sind OZG-Leistungen?

OZG-Leistungen beschreiben jeweils ein Leistungsbündel, das wiederum aus bis zu mehreren Hundert einzelnen Verwaltungsleistungen besteht. Sie sind im Leistungskatalog der öffentlichen Verwaltung (LeiKa) zusammengefasst.

Die TOP 10 der OZG-Leistungen:

  1. Kindergeld
  2. Ausbildungsförderung (BAföG)
  3. Hochschulzulassung, -studium, -prüfung und -zeugnis
  4. Arbeitslosengeld
  5. Arbeitslosengeld II
  6. Abfallentsorgung (z.B. Sperrmüll anmelden)
  7. Krisenvorsorgeliste ELEFAND
  8. Apothekennotdienst
  9. Geburtsurkunde und -bescheinigung
  10. Meldebescheinigung und -registerauskunft

Die OZG-Leistungen sind in 14 Themenfelder unterteilt, wobei sie nach thematischem Zusammenhang kumuliert werden – und nicht nach der Zuständigkeit der Behörde. So wird gewährleistet, dass ähnliche Verwaltungsleistungen zusammenhängend digitalisiert werden. Es spielt keine Rolle, dass die Leistungen in der Zuständigkeit bei unterschiedlichen Ressorts liegen.

Welche OZG-Themenfelder gibt es?

Die 575 OZG-Leistungen sind in 14 Themenfelder eingeteilt:

  1. Arbeit & Ruhestand
  2. Bauen & Wohnen
  3. Bildung
  4. Ein- & Auswanderung
  5. Engagement & Hobby
  6. Familie & Kind
  7. Forschung & Förderung
  8. Gesundheit
  9. Mobilität & Reisen
  10. Querschnittsleistungen
  11. Recht & Ordnung
  12. Steuern & Zoll
  13. Umwelt
  14. Unternehmensführung & -entwicklung

In den einzelnen Themenfeldern sind Leistungen für Bürger:innen, aber auch für Unternehmen, enthalten. Des Weiteren sind die 14 Themenfelder des OZG verschiedenen Federführern zugeordnet: Mindestens ein Land und ein zuständiges Bundesressort agieren als „Tandem“ federführend bei den einzelnen Themenfeldern. An diesen sind auch kommunale Partner und eventuell weitere Länder beteiligt. Das federführende Land ist vor allem für die Koordination auf Länder- und Kommunalebene zuständig.

Die 14 Themenfelder der OZG-Leistungen

Wie funktioniert die OZG-Umsetzung?

Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) hat für die OZG-Umsetzung einen einheitlichen Servicestandard entwickelt. Die Kommunen sollen die darin empfohlenen Richtlinien und Qualitätsprinzipien bei der Ausarbeitung digitaler Verwaltungsangebote zu Rate ziehen. Dabei wird das Thema „Nutzerorientierung“ priorisiert. Konkret bedeutet das: Alle Digitalisierungsprozesse sollen im Endeffekt möglichst anwenderfreundlich sein.

Onlinezugangsgesetz: Umsetzung dank Servicestandard

Dr. Markus Richter, Bundes-CIO und Staatssekretär im BMI: „Für mich ist es wichtig, dass unsere Verwaltung nutzerfreundlich digitalisiert wird. Mit dem Servicestandard bieten wir eine wichtige Handreichung, um die Digitalisierungsprozesse nach einheitlichen Qualitätskriterien auszurichten. Damit stellen wir sicher, dass die digitale Verwaltung den hohen Ansprüchen der Bürgerinnen und Bürger sowie den Behördenmitarbeitenden von Bund, Ländern und Kommunen gerecht wird.“

Was ist der OZG-Servicestandard?

Der Servicestandard stellt ein „lebendes Dokument“ dar: Die bereits veröffentlichte Betaversion soll mittels wachsender Nutzererkenntnisse aus der Praxis stets weiterentwickelt werden. Die Rückmeldung der OZG-Umsetzer:innen, ob auf kommunaler, Länder- oder Bundesebene, bildet hierfür den Grundstein. Die fortlaufende Dokumentation von inhaltlichen Veränderungen im Servicestandard übernimmt ein Expertenteam.

Der Servicestandard impliziert insgesamt sechs Kategorien:

  1. Nutzerzentrierung
  2. Vorgehen
  3. Zusammenarbeit
  4. Offenheit
  5. Technischer Betrieb
  6. Wirkungscontrolling

„Der Servicestandard beschreibt den ‚State of the Art‘ für nutzerfreundliche, effiziente und gut betreibbare Onlineservices. Jede Designerin und jeder Entwickler digitaler Verwaltungsangebote sollte den Servicestandard kennen und berücksichtigen.“ Hannes Kühn, Stellvertretender Leiter, Sekretariat Nationaler Normenkontrollrat.

Onlinezugangsgesetz mit Dokumentenmanagement erfolgreich meistern

Wer ist für die OZG-Umsetzung zuständig?

Obwohl das Onlinezugangsgesetz Bund und Länder dazu verpflichtet, alle Verwaltungsleistungen bis Ende des Jahres 2022 online anzubieten, sprechen die Anforderungen des Onlinezugangsgesetz in erster Linie die Kommunen an. Denn: Für die Realisierung der meisten Verwaltungsleistungen, die es derzeit zu digitalisieren gilt, sind hierzulande die Kommunen zuständig. Eine wahre Herkulesaufgabe für Städte-, Kreise- und Gemeindeverwaltungen. So ist es nicht verwunderlich, dass die kommunalen Verwaltungen immer noch viele Fragen zur OZG-Umsetzung haben.

Weitere Hilfestellung für die Kommunen: das OZG-Dashboard

Anfang Oktober 2020 ging das sogenannte OZG-Dashboard des BMI online. Es zeigt „live“ und transparent, ob Peter Altmaier seinen Grauburgunder am Ende des Tages doch noch behalten kann. Und die öffentlichen Verwaltungen? Sie erhalten damit eine gute Möglichkeit, den Umsetzungsstand eigener Digitalisierungsbemühungen jederzeit zu verfolgen. Die veröffentlichten Daten verdeutlichen aber auch, wo noch Handlungsbedarf besteht.

Die 4 Funktionen von Ausbaustufe 1 des OZG-Dashboards

Das Onlinezugangsgesetz-Dashboard enthält insgesamt drei geplante Entwicklungsstufen. Ausbaustufe 1 enthält vier Funktionen, die den bisherigen OZG-Umsetzungsfortschritt sowie die Nutzerzufriedenheit transparent gestalten soll. Die geplanten Ausbaustufen 2 und 3 sollen eine Übersicht über die Abdeckung digitaler Services in Bund, Ländern und Kommunen schaffen sowie ein automatisches Nutzerfeedback ermöglichen.

Das Erfolgsgeheimnis bei der OZG-Umsetzung? Die „Einer für alle“-Devise

Zwecks einer raschen und flächendeckenden Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes einigten sich Bund und Länder im September 2020 auf zusätzliche 3 Milliarden Euro des Bundes aus dem Konjunkturpaket. Die Gelder sollen in die deutschlandweite Digitalisierung der Verwaltung investiert werden. Die finanzielle Unterstützung erhalten Länder und Kommunen allerdings nur, wenn sie das gemeinsame Architekturkonzept „Einer-für-Alle/Viele“ im Zuge der OZG-Umsetzung verfolgen.

Was ist EfA?

So erklärt das BMI die EfA-Devise: „Einer-für-Alle“ ist eine Methode der Nachnutzung, bei der eine Leistung von einem Land bzw. Themenfeld entwickelt und von allen anderen weiterverwendet werden kann – das heißt alle profitieren von einer einmal erarbeiteten Lösung und Online-Services müssen nicht in jedem Land einzeln entwickelt werden. Das spart Zeit und Ressourcen.

Die 4 Schritte der EfA-Methode

„Das Konjunkturpaket gibt uns die Chance, unsere Vision der digitalen Verwaltung trotz eines äußerst ambitionierten Zeitplans Wirklichkeit werden zu lassen. Wir handeln entschlossen, gemeinsam und koordiniert, damit – egal wo und wann – jede Verwaltungsleistung nutzerfreundlich und mit nur wenigen Klicks online zur Verfügung gestellt werden kann. „Einer für Alle“ ist der Schlüssel zum Erfolg.“ Dr. Markus Richter, Bundes-CIO und Staatssekretär im BMI.

Ist die bürgerfreundlichste Verwaltung Europas noch zu retten?

Die gute Nachricht: Durch einzelne Projekte von Bund, Ländern und Kommunen wurden viele Leistungen noch vor Inkrafttreten des Onlinezugangsgesetzes digitalisiert. Die schlechte Nachricht: Verwaltungsleistungen, welche bereits online sind, sollen bis zum Erreichen einer hohen Nutzerfreundlichkeit – dem Ziel einer vollständigen OZG-Umsetzung – weiterentwickelt werden.

Wie schneidet Deutschland bei der Digitalisierung im EU-Vergleich ab?

Der Auftrag ist eindeutig: Alle digitalen Verwaltungsleistungen sollen hierzulande flächendeckend in allen Kommunen nutzerfreundlich und in gleicher Qualität verfügbar sein. Dies wiederum könnte für die angestrebte bürgerfreundlichste Verwaltung Europas schon bald zum Problem werden. Denn obwohl die Zeit drängt, schneidet die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Deutschland im EU-Vergleich eher schlecht ab.

Was ist DESI?

Im Juni 2020 hat die EU-Kommission den jährlichen Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) für 2020 (The Digital Economy and Society Index – DESI) in Brüssel veröffentlicht: Laut DESI belegt Deutschland beim Thema eGovernment nur Platz 21. Auch die Tatsache, dass Deutschland bei der Gesamtleistung im digitalen Bereich innerhalb der EU an 12. Stelle liegt, ist für Peter Altmaier sicher kein Trost.

Wie ist der DESI-Bericht 2022 für Deutschland?

Die DESI-Berichte für das Jahr 2022 basieren auf Daten für 2021 und verfolgen seit 2014 die Fortschritte der EU-Mitgliedsstaaten im Bereich Digitalisierung. Der im Juli 2022 veröffentlichte DESI zeigte kaum ein besseres Ergebnis als ein Jahr zuvor: Deutschland befand sich im Jahr 2021 bei der Gesamtleistung im digitalen Bereich innerhalb der Europäischen Union auf den 13. Platz.

Gut zu wissen: Der DESI wurde für die Vorjahre neu berechnet, um den Änderungen bei der Auswahl der Indikatoren Rechnung zu tragen. Die Indikatoren wurden auf vier Dimensionen des DESI (neue DESI-Struktur) verteilt. Dabei wurden Korrekturen an den zugrunde liegenden Daten und die Neuberechnung des EU-Durchschnitts (Abzug des Vereinigten Königreichs) vorgenommen. Die Noten und Rankings können sich somit im Vergleich zu früheren Ausgaben geändert haben.

DESI-Bericht 2022 für Deutschland

Status quo August 2022: Das OZG ist bis Ende 2022 nicht umsetzbar

Um die Anforderungen des Onlinezugangsgesetz erfüllen zu können, muss eine Verwaltungsleistung einen bestimmten Digitalisierungsgrad erreichen. Der entsprechende Reifegrad der Digitalisierung wird über das Reifegradmodell ermittelt.

Was ist das Reifegradmodell?

Das Reifegradmodell zeigt den digitalen Entwicklungsstand einzelner Leistungen. Das Modell überprüft die Online-Verfügbarkeit in vier sogenannten Reifegraden: Von „die Leistung ist ausschließlich offline verfügbar (Stufe 0)“ bis „die Leistung kann komplett digital durchgeführt werden (Stufe 4)“.

Das Reifegradmodell: Stufe 0 bis 4 im Überblick

Die Stufen 2-4 des Reifegradmodell

Reifegrad 2 bedeutet, dass die Verwaltungsleistungen als Online-Antrag grundsätzlich digital verfügbar sind. Die Nachweise können aber regelmäßig noch nicht online übermittelt werden.

Reifegrad 3 wird erreicht, sobald das Antragsverfahren komplett digital durchgeführt werden kann. Dabei muss gewährleistet sein, dass alle Nachweise rechtsverbindlich online übermittelt und Bescheide digital zugestellt werden können. Auch ein digitaler Bezahlprozess muss in diesem Fall verfügbar sein.

Reifegrad 4 bedeutet, dass die Leistung vollständig digital abgewickelt werden kann. Für Nachweise wird das Once-Only-Prinzip umgesetzt. Es zielt darauf ab, dass Bürger:innen und Unternehmen bestimmte Standardinformationen den öffentlichen Verwaltungen nur einmal mitteilen müssen. Denn unter Berücksichtigung der Datenschutzbestimmungen und der Nutzerzustimmung können die Behörden die Daten untereinander austauschen und wiederverwenden.

Wie ist der digitale Reifegrad der OZG-Leistungen 2022?

Eine OZG-Leistung gilt als „in Planung“, wenn der Auftrag erteilt wurde, die Digitalisierung der Leistung im Rahmen der OZG-Umsetzung zu realisieren. Eine OZG-Leistung gilt als „in Umsetzung“, wenn ein Gremium im Rahmen der OZG-Umsetzung aktiv an der Digitalisierung der Leistung arbeitet.

Ende August 2022 waren 143 der angestrebten 575 Verwaltungsleistungen online verfügbar (Stufe 2-4). Vollständig digital abgewickelt werden – einschließlich aller Nachweise und Bescheide (Stufe 3) – konnten zu dem Zeitpunkt 49 OZG-Leistungen (rund 8,5 Prozent). Die aussagekräftigen Leistungen befinden sich jedoch in den Stufen 3 und 4. Die OZG-Informationsplattform zeigte im August 2022 jedoch keine Verwaltungsleistungen der Stufe 4 an.

Vollständigkeitshalber sollten auch diejenigen Verwaltungsleistungen erwähnt werden, welche den „Reifegrad einer PDF-Datei“ (Stufe 1) noch nicht überschritten haben: Ende August waren es 207 Leistungen – oder 36 Prozent. Darunter fallen zum Beispiel Adoption, Einbürgerung, EU-Heimtierausweis, Grundsteuer oder auch Hilfe zur Pflege. Die jeweiligen Leistungsbeschreibungen können ganz bequem heruntergeladen (und ausgedruckt) werden.

Wie ist der aktuelle Stand Digitalisierungsstand der OZG-Leistungen zu bewerten?

Im ersten Moment sehen die Zahlen recht agil aus und bis Ende des Jahres 2022 sind noch einige Monate hin. Doch weit gefehlt. Im Digitalisierungsprozess können einzelne Verwaltungsleistungen aus dem OZG-Leistungsbündel in einem fortgeschritteneren Entwicklungsstadium sein und somit auch früher live gehen als andere Leistungen. Laut BMI gelte eine OZG-Leistung als online, wenn mindestens eine zugehörige Verwaltungsleistung den Reifegrad 2 erreicht habe und im Digitalisierungsprogramm föderal in mindestens einer Kommune verfügbar sei.

Ende August 2022 zeigte das OZG-Dashboard den Entwicklungsstand von im Digitalisierungsprogramm aktiven OZG-Leistungen folgendermaßen an: 86 Go-Lives (Weiterentwicklung in Ausbaustufen), 200 OZG-Leistungen befanden sich in Umsetzung und 66 davon waren in Planung. Dies ergibt 352 OZG-Leistungen, welche mehr oder minder im Sinne des OZG aktiv bearbeitet wurden.

Damit ist klar: Es ist nicht mehr realistisch, alle 575 Leistungen bis Ende 2022 flächendeckend zu digitalisieren. Das geht bereits soweit, dass Leistungen der Priorität 4 zurückgestellt wurden. Prioritär müssen nun die sogenannten SDG-Leistungen (Single Digital Gateway – einheitliches digitales Zugangstor) digitalisiert werden, da die im Jahr 2018 beschlossene SDG Verordnung die Digitalisierung der Verwaltung auf EU-Ebene darstellt und einen individuellen Rechtsanspruch auf Onlineleistungen begründet. Bei Nichtumsetzung drohen Sanktionen seitens der EU-Kommission.

Ein 9-Punkte-Plan zur Rettung der bürgerfreundlichsten Verwaltung Europas

Im Juli 2020 hat der Bundes-CIO und Staatssekretär im BMI Dr. Markus Richter ein Programm zur Beschleunigung der Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung vorgestellt. Der 9-Punkte-Plan für ein digitales Deutschland beinhaltet neun Schwerpunkte, mit dessen Hilfe die Digitalisierung hierzulande vorangetrieben werden soll. Drei Bereiche dienen dem Plan als Grundgerüst: Digitale Gesellschaft, Digitale Verwaltung sowie Cyber- und Informationssicherheit.

Was sind die wesentlichen Ziele des 9-Punkte-Plans?

  • Datenpolitik wirksam gestalten
  • Zusammenarbeit auf europäischer Ebene verstärken
  • Elektronische Identität etablieren
  • Digitale Verwaltungsleistungen ausbauen (OZG)
  • Verwaltung und verwaltungsinterne Dienste modernisieren
  • eGovernment-Einheit als Digital Innovation & Transformation Hub der Bundesverwaltung etablieren („Service aus der Verwaltung für die Verwaltung“)
  • Digitale Kompetenzen fördern
  • Digitale Souveränität Deutschlands und Europas sichern
  • Cyber-Sicherheitsarchitektur Deutschlands stärken


Schwerpunkt Digitale Verwaltung

Dem Schwerpunkt „Digitale Verwaltung“ wurde, mit 5 aufgeführten Vorhaben, die meiste Bedeutung zuteil. Laut BMI seien die wichtigsten Anliegen in diesem Bereich die Beschleunigung der Verwaltungsdigitalisierung und die Einführung von eGovernment-Diensten in Deutschland. So soll der Onlineausweis nicht nur stärker eingebunden, sondern auch dessen Akzeptanz bei Bürger:innen erhöht werden. Auch die digitalen Leistungen sollen zügiger verfügbar und die Kommunikation mit den Behörden vereinfacht werden.

Dr. Markus Richter: „Mir ist die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger besonders wichtig. Denn nur, wenn sie den Prozessen vertrauen, wird die Digitalisierung erfolgreich sein können. Meine Schwerpunkte werde ich deshalb im Dialog mit Bevölkerung und Unternehmen umsetzen.“

Was ist die Open-Data-Strategie?

Mithilfe einer eigenen Open-Data-Strategie sollen sowohl die Nutzung als auch die Bereitstellung der Daten vorangebracht werden. In diesem Zuge wird angestrebt, das zweite Open-Data-Gesetz zu verabschieden. Aber auch an die Mitarbeitenden einer Verwaltung wird in dem Papier gedacht: Ihre Kompetenzen sollen mit Fortbildungsprogrammen an einer neuen Digitalakademie gestärkt werden.

Die konsequente Digitalisierung verwaltungsinterner Prozesse, die Einführung der eAkte als Digitalisierungsschub, die Registermodernisierung und die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes sind weitere wichtige Punkte im Bereich der digitalen Verwaltung.

Der Handlungsdruck bis Ende 2022 ist groß

Bund, Länder und Kommunen müssen nun unter Hochdruck an der Umsetzung der Anforderungen arbeiten. Zudem machte die Covid-19-Pandemie es den deutschen Behörden nicht einfacher, die eigene Handlungsfähigkeit sicherzustellen und Deutschland im EU-Vergleich nach vorn zu bringen.

Die oberste Priorität der OZG-Umsetzungsbeteiligten ist daher die Auseinandersetzung mit der Konzeption, der Weiterentwicklung und dem Betrieb digitaler Verwaltungsleistungen. Mit der Selbstüberprüfung zum Servicestand können die Mitarbeitenden einer Kommune jederzeit selbstständig kontrollieren, wie nutzerfreundlich die eigenen digitalen Angebote sind.

Deutschland – die angestrebte bürgerfreundlichste Verwaltung Europas – steht im EU-Vergleich weit abgeschlagen.

Der Handlungsdruck für die öffentliche Verwaltung wächst: Derzeit sind schlichtweg zu wenige Onlineleistungen OZG-konform. Vor allem die Kommunen sind in der Verantwortung, 575 Leistungen bis Ende 2022 auch digital über Verwaltungsportale anzubieten. Dennoch ist die kommunale Verwaltung nicht auf sich allein gestellt: Neben einer finanziellen Unterstützung in Höhe von 3 Milliarden Euro reicht das BMI den OZG-Umsetzenden seine Hand in Form von Tools und Plänen. Wer diese befolgt und die verwaltungsinternen Prozesse konsequent digitalisiert, bewegt sich in großen Schritten auf das zugegebenermaßen ehrgeizige OZG-Ziel zu. Und wenn die bürgerfreundlichste Verwaltung Europas bis Ende 2022 sich selbst nicht retten kann, kommt Peter Altmaier mit seinen zwölf Flaschen guten Grauburgunders noch sehr günstig davon.

Was bedeutet das Ergebnis für Ihre Verwaltung?

Wie ist der aktuelle Digitalisierungsstand in Ihrer Verwaltung? Wenn Sie mehr über die vielfältigen Möglichkeiten der Digitalisierung verwaltungsinterner Prozesse erfahren möchten, sprechen Sie uns an – wir zeigen Ihnen, wie Sie Ihre Verwaltung zum digitalen Vorreiter machen können. Erfahren Sie jetzt mehr zum Thema Digitalisierung in Ihrer öffentlichen Verwaltung oder vereinbaren Sie direkt Ihre unverbindliche Digitalisierungsberatung mit d.velop.

OZG mit Dokumentenmanagement erfolgreich meistern


  1. “Die Jahresberichte des Nationalen Normenkontrollrats decken in der Regel einen Berichtszeitraum von Juli des Vorjahres bis Juni des aktuellen Jahres ab und werden der Bundesregierung im Herbst übergeben. Dass der Jahresbericht 2022 erst im Dezember erscheint, zeigt […], dass der vergangene Berichtszeitraum ein besonderer und durch viele Umbrüche gekennzeichnet war.“ NRK im Vorwort seines Jahresberichts 2022 ↩︎