„Bitte lesen Sie die Bedienungsanleitung“ – Gedanken zum Umgang mit Innovationen in einer sich ändernden Welt

Veröffentlicht 28.10.2016
Geschätzte Lesezeit 4 Min.

Mario Dönnebrink Digital Enthusiast -

Kraftfahrt-Bundesamt bedienen

Ich dachte zuerst, es sei ein Witz: Das Kraftfahrtbundesamt hat alle Besitzer eines Tesla-Fahrzeugs in Deutschland angeschrieben und ermahnt, beim autonomen Fahren den Wagen und den Verkehr doch bitteschön weiterhin persönlich zu kontrollieren.

Grund: Der Tesla habe ein Fahr-Assistenz System und keinen Auto-Piloten.

Wörtlich wird weiter empfohlen: „Bitte beachten Sie unbedingt auch die in den Bedienungsanleitungen des Herstellers hierzu ausgewiesenen Verhaltenshinweise.“

Na da kann ja nichts mehr schiefgehen oder?

Quelle: Tobit Software

Doch, hier geht bereits etwas ganz grundlegend schief. Aber nicht bei Tesla, sondern beim Kraftfahrtbundesamt hinsichtlich seiner Einstellung zum Umgang mit Innovationen. Mir fällt unweigerlich der Begriff „German Angst“ ein, der sehr treffend unseren eher begrenzten Mut im Umgang mit bahnbrechenden Veränderungen definiert.

Mit so einer Einstellung ist es kein Wunder, dass ein Großteil der Impulse heute aus dem Silicon Valley kommt, und nicht aus Deutschland. Die Amerikaner machen – wir bedenken und warnen. So könnte man zusammenfassen. Ein Geschäftskontakt aus den USA sagte einmal zu mir: „In unseren Business-Plänen finden wir achtundneunzig Zeilen mit Umsatzchancen und zwei Zeilen mit Risiken. Bei euch Deutschen ist das umgekehrt.“

Wie recht er doch hat.

Wandel setzt sich immer durch

Dabei gibt es gute Beispiele dafür, dass Neuheiten, die zunächst kritisch betrachtet wurden, auch in Deutschland (wenn auch mit großer Verzögerung) schließlich akzeptiert werden und sehr erfolgreich sind. Ein gutes Beispiel ist die späte, dafür aber immer rasantere Adaption der zunächst misstrauisch beäugten Cloud-Dienste. Auch in diesem Umfeld habe ich staatliche Stellen eher als Bedenkenträger, denn als Chancendenker wahrgenommen. Inzwischen sind die deutschen Public Cloud-Rechenzentren die am stärksten wachsenden weltweit.

Letztlich setzt sich Wandel immer durch. Die Frage ist nur, ob wir wegen unserer vielen Grübeleien immer nur folgen wollen, oder vielleicht etwas optimistischer an die Dinge herangehen sollten und damit wieder Leadership-Positionen erreichen.

Schließlich haben Teslas schon mehr als 200 Millionen Kilometer unfallfrei zurückgelegt.

Nun ist unter tragischen Umständen ein Tesla-Fahrer tödlich verunglückt. Das ist furchtbar und jeder Verkehrstote ist einer zu viel. Letztendlich birgt aber jeder Fortschritt Risiken, jedoch das Gute überwiegt in aller Regel deutlich. Es existiert noch keine Statistik darüber, wie viele Leben Fahrerassistenzsysteme bereits gerettet haben. Die würde mich auch einmal interessieren. Fakt ist, dass Computerassistenzsysteme das Potenzial haben, nahezu alle Unfälle zu verhindern, da sie nicht mit den Unzulänglichkeiten, wie z.B. zu langer Reaktionszeit eines menschlichen Fahrers, zu kämpfen haben.

Und es kommt noch schlimmer

Das Kraftfahrtbundesamt teilt der „Welt am Sonntag“ mit, die EU-Zulassung für Teslas Assistenzsystem wäre in Deutschland gar nicht erst erteilt worden. Schließlich sei „es noch in der Betaphase“. Ja klar – das Kraftfahrtbundesamt lässt lieber Millionen von Dieselfahrzeugen zu, die mit einer finalen Version einer Manipulationssoftware für Prüfstände ausgestattet sind. Die Stellungnahme des Bundesamtes hört sich schon fast nach einer Vorbereitung eines nachträglichen Zulassungsentzuges an…

Wenn es soweit kommen sollte, bin ich der Meinung, sollte man hier nicht mit zweierlei Maß messen und dann konsequent alle Fahrzeuge stilllegen, die nachträglich als nicht zugelassen eingestuft werden. Und das wären Stand heute nach einem dem Bundesamt von Sachverständigen vorgelegten Gutachten ebenfalls Millionen von Dieselfahrzeugen. Aber lassen wir das – ich schweife ab.

Es geht um Funktionalität

Ich denke, es kommt einzig darauf an, wie gut eine Software funktioniert und nicht darauf, ob der Hersteller sie als Beta einstuft. (Dabei erinnere ich an die jahrelange Betaphase von Google-Maps. Ein Service, der sich während dieser durch den Hersteller definierten Betaphase als bester Navigationsservice auf mobilen Endgeräten durchgesetzt hat.) Und die Assistenzsoftware von Tesla funktioniert sehr gut – das hat sie ebenfalls bereits millionenfach bewiesen.

Kurzum: Eine gewisse Wachsamkeit und Kontrolle staatlicher Organe ist sicherlich hilfreich. Was aber falsch ist und schlecht für unseren Standort und unsere Gesellschaft, ist eine Gängelung, Verzögerung oder gar Unterdrückung des Fortschritts. Auch sollte man die deutschen Tesla-Fahrer wie Erwachsene behandeln. Denn sie wissen, was sie tun.

Sollte das Kraftfahrtbundesamt allerdings auf die Idee kommen, eine verbindliche Richtlinie zu erlassen, nach der Gebrauchsanweisungen von Teslas protokolliert gelesen werden müssen, dann könnte d.velop mit einer Qualitätsmanagement-Lösung für gelenkte Dokumente helfen. Es wäre ein Leichtes für uns, den 2.500 Tesla „Benutzern“ Handbücher digital vorzulegen und abzufragen, ob sie „gelesen und verstanden wurden“. Allerdings würde ich auf diesen Auftrag im Geiste des Fortschritts unseres Wirtschaftsstandortes Deutschland und Europa gern verzichten.

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Autor:in

Mario Dönnebrink ist Digital Enthusiast.

Mario Dönnebrink Digital Enthusiast -