Agile Organisationsstruktur: Wie Unternehmen mit neuen Organisationssystemen komplexen Märkten trotzen

Veröffentlicht 26.02.2020
Geschätzte Lesezeit 5 Min.

Stefan Olschewski Senior Manager Corporate Communications d.velop

agile Organisationsstrukturen im Unternehmen einführen

„Das Leben kommt auf alle Fälle aus einer Zelle. Doch manchmal endet’s auch, bei Strolchen, in einer solchen.“ Mit beidem hatte Heinz Erhardt recht. Und das ist einer der Gründe, warum sich Unternehmen, die nach einer Möglichkeit suchen, in ihrer Organisationsstruktur schneller und effizienter zu werden, die Natur zum Vorbild nehmen.
Und dieses Konzept kann durchaus erfolgreich sein. Was Zellen, Waben und Bienchen mit erfolgreichen Unternehmen zu tun haben, und wie Sie davon profitieren können, erfahren Sie in diesem Blogartikel.

Wie bestehen wir in zunehmend komplexen Märkten?

Warum meint eigentlich jedes Unternehmen und jede Organisation, der Mittelstand ebenso wie globale Player, plötzlich agil und innovativ sein zu müssen und sich selbst zu disruptieren?
Laufen wir alle den Buzzwords der Digitalisierung nach? Ohne Sinn und Verstand? Mitnichten.

Ein einziger Blick auf die eigene Kundenlandschaft zeigt schon die Notwendigkeit, sich selbst zu wandeln. Das Kaufverhalten ist zunehmend geprägt von schnellen Entscheidungen. In Zeiten von Netflix und Apps erwartet der Mensch einfach zu beziehende Lösungen, die direkt helfen und im Idealfalls dann abgerechnet werden, wenn man sie wirklich nutzt. Das hat Auswirkungen auf den Produktlebenszyklus etablierter Hersteller, egal ob im Softwarebereich oder produzierenden Gewerbe.

Der Blick nach links und rechts zeigt uns parallel hochspezialisierte Anbieter, die scheinbar wie Pilze aus dem Boden schießen und mit genau den Lösungen aufwarten, die Kunden genau jetzt benötigen – und damit immens erfolgreich sind.

Nur wie schaffen es etablierte Unternehmen, genau diesen Elan, diese Geschwindigkeit und Kundenfokussierung an den Tag zu legen, um auch zukünftig in zunehmend komplexen Märkten zu bestehen?

Hierarchien haben ausgedient

Die Problematik liegt oft nicht in fehlender Kompetenz, sondern in ungeeigneten, nicht mehr zeitgemäßen Organisationsstrukturen. Wer weiterhin erfolgreich sein will, ist aufgefordert, seine gesamte Organisation zu hinterfragen, schneller zu werden und den Mitarbeitern mehr Eigenverantwortung zu übertragen. Klassische Hierarchien haben es zunehmend schwer. Nur, wie lässt sich dieser Wandel in der Organisation mit möglichst wenigen Reibungsverlusten umsetzten?

Auf dem Weg zum agilen Unternehmen

Ob beim selbstreinigenden Fenster oder der agilen Organisation: Es schadet nie, sich die Natur zu Vorbild zu nehmen.

Modelle, die Eigenverantwortlichkeit im Unternehmen fokussieren, gibt es viele. Die Gefahr dabei: Wenn jeder macht, was er will, herrscht schnell Anarchie. Ideal ist also eine geführte Selbstorganisation, die den Mitarbeitern Verantwortung überträgt, ihnen aber dennoch strategische Leitplanken vorgibt, in deren Rahmen sie aktiv werden können. Der Vergleich zum Bienenstock, in dem jeder Mitarbeiter spezifische Aufgaben hat, komplett autark agiert und dennoch immer im Sinne der Gesamtorganisation handelt, liegt hier auf der Hand – und genaugenommen ist das damit verbundene Bild von Honigwaben, das vor unserem geistigen Auge entsteht, hervorragend geeignet, um dieses eigentlich abstrakte Organisationssystem zu konkretisieren und greifbar zu machen.

Dieser Blogartikel bietet nicht genug Raum, um eine komplette „Wabenorganisation“ im Detail zu erläutern. Es genügt aber, die wichtigsten Kernaspekte zu verstehen und zu verinnerlichen. Die Möglichkeit, in einem quasi geschlossenen Bereich als kleines Team zu agieren, sozusagen als Start-up im Unternehmen, und komplett eigenverantwortlich in einer „Zelle“ des Organismus zu agieren, hat eine Menge Vorteile. Vorausgesetzt, die Personen in dieser Zelle arbeiten wirklich eigenverantwortlich. Das heißt, sie sind immer ganz nah am Markt, entwickeln selbst eine Lösung, validieren diese auf Relevanz und Skalierbarkeit und kümmern sich in verschiedenen Aufgabenverantwortungen auch um Vertrieb, Marketing und die eigenen internen Abläufe. So ist permanente Kunden- und Marktnähe garantiert, weil die bisherigen, oft langwierigen und hemmenden Top-Down-Entscheidungen seitens der Geschäftsleitung komplett wegfallen.

If you fail, fail fast!

„Junge, mach bloß keine Fehler! Sonst bist du schnell weg vom Fenster.“ Nein! In einer agilen Organisation muss jeder Fehler machen dürfen. Denn nur wer mutig ist und etwas ausprobiert, kann etwas verändern. Wichtig ist, dass diese Fehler schnell passieren, um nicht wie in klassischen Organisationsstrukturen mitunter zwei Jahre an Neuentwicklungen zu arbeiten, nur um dann zu merken, dass die Idee komplett am Markt vorbeigeht.

Wer schnell scheitert, lernt schneller und kann direkt mit neuen Ideen neue Innovationen entwickeln. Genau so arbeiten (erfolgreiche) Start-ups. Nur mit dem Unterschied, dass eine Zelle in der Wabenorganisation immer die Sicherheit der Kernorganisation im Hintergrund hat. So ist Scheitern einfacher und eine ausgeprägte Fehlerkultur elementarer Bestandteil der geführten Selbstorganisation.

Einen Zusammenschluss mehrerer Zellen nennen wir „Wabe“. Und damit das eingangs erwähnte Anarchie-Szenario ausbleibt, stimmen sich alle Zellen innerhalb einer Wabe und darüber hinaus in vorgeschriebenen Abläufen regelmäßig ab, damit stets jeder weiß, was der andere tut. So lassen sich auch interne Synergien heben und gleichzeitig externe Impulse sammeln, die eine Situation oder Herausforderung oftmals in einem anderen Licht erscheinen lassen.

Klingt einfach, oder? Warum ist der Wandel dann für viele so schwer?

Innovationskultur und Change-Management – der Faktor Mensch

Das Schwierigste an organisatorischer Veränderung ist der Wandel im Kopf. Werkzeuge und Modelle, um Organisationen agiler zu gestalten, gibt es viele. Aber in einer Unternehmung arbeiten zu allererst einmal Menschen. Und wer glaubt, ein grundlegend neues Organisationssystem, das auf Eigenverantwortlichkeit setzt, hierarchisch von oben herab aufzuoktroyieren, hat das System selbst nicht verstanden. Die Mitarbeiter müssen schon bei der Konkretisierung und Ausgestaltung des Systems vollständig eingebunden werden und die Entscheidungen treffen dürfen, die später von ihnen erwartet werden.

Ohne Akzeptanz wird der Wandel eines Unternehmens niemals erfolgreich ablaufen können. Nur, wenn eine Innovationskultur und Mitarbeiterpartizipation fest verankert ist, kann Digitalisierung als Chance begriffen und umgesetzt werden.

Wenn Sie dies verinnerlichen, und Ihre Mitarbeiter für den Wandel begeistern, indem Sie sie an der Entwicklung der neuen Organisation aktiv beteiligen, sind Sie schon jetzt auf einem guten Weg. Und stets nah am Markt und fit für die Zukunft.

PS: Warum Wabe?

Das Organisationssystem, das ich oben in seinen Grundzügen vorgestellt habe, ist das vom Systemberater und Autor Andreas Lange entwickelte „Selbst-Adaptive-Organisations-System“ (SAOS) [Mehr Infos: www.saos-consulting.de], eine moderne Alternative zu Matrix-, Netz- und hierarchischen Strukturen. Im konkreten Fortschritt des Projekts fällt diese Bezeichnung aber in der Regel recht schnell dem wesentlich griffigeren Terminus „Wabenorga“ zum Opfer.