Dank des neuen „Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten für Lieferketten“ bekommt das Thema Nachhaltigkeit und der Schutz von Menschen in der Supply Chain ein rechtliches Fundament. Dafür nimmt der Gesetzgeber deutsche Unternehmen und ihre Zulieferer ab dem 01.01.2023 explizit in die Verantwortung, Menschenrechte zu achten und zu schützen sowie Umweltthemen zu fördern. Durch das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) entstehen neue Aufgaben und Prozesse, mit denen sich Unternehmen intensiv beschäftigen müssen. Eine Zusammenfassung des Lieferkettengesetzes, welche Pflichten einzuhalten sind und mit welchen Sanktionen bei Nichteinhaltung zu rechnen sind, haben wir Blogartikel zum Lieferkettengesetz zusammengefasst.
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz im Überblick – Interview mit Logistik-Experte Prof. Dr. Franz Vallée
Gerade in der Logistik entstehen durch das neue Gesetz weitreichende Änderungen entlang der gesamten Supply-Chain. Die Branche zeichnet sich durch eine Vielzahl an Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen, Dienstleistern, Sub-Dienstleistern, Speditionen und weiteren Stakeholdern aus. Die Herausforderung: Alle Beteiligten sind für die Einhaltung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes verantwortlich. Dazu kommt eine umfassende Dokumentationspflicht für Risikoanalysen, das Beschwerdemanagement und Präventionsmaßnahmen. Alles mit einem wichtigen Ziel: Menschenrechte zu schützen. Als Logistik-Experte, Sprecher der Regionalgruppe Münster/Osnabrück der Bundesvereinigung Logistik e.V. (BVL), Vorstand des Instituts für Prozessmanagement und digitale Transformation der Fachhochschule Münster sowie Gründer und Gesellschafter der Vallée und Partner Unternehmensberatung für Logistik und IT gibt Prof. Dr. Franz Vallée im Interview einen Einblick in die Herausforderungen, aber auch Chancen des neuen Lieferkettengesetzes.
Veränderungen in der Zukunft
Herr Prof. Dr. Vallée, der Bundestag hat die Verantwortung deutscher Unternehmen für die Achtung von Menschenrechten in globalen Lieferketten erstmals verbindlich geregelt. Das neue Lieferkettengesetz (LkSG) tritt ab dem 1. Januar in Kraft. Was verspricht sich die Regierung davon?
Leider gibt es in unserer globalisierten Welt auch heute noch immer massive Kinderarbeit und weitere menschenunwürdige Arbeitsbedingungen. Immer wieder passieren auch Katastrophen wie der Tod von über 1.000 Menschen durch den Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch im Jahr 2013. Der Wettbewerb und der Kostendruck in vielen Branchen verhindern globale Verbesserungen der Menschenrechte. Die Bundesregierung hat gehandelt und klare Regeln aufgestellt. Unternehmen haben eine verbindliche Sorgfaltspflicht sich aktiv mit dem Thema Einhaltung der Menschenrechte über die gesamte Wertschöpfungskette vom Rohstoff bis zum Verkaufsprodukt zu beschäftigen. Die Einhaltung des Gesetzes wird durch die BAFA überprüft und bei Verstößen drohen Bußgelder und Sanktionen wie z.B. der Ausschluss von Ausschreibungen. Letztlich sollen also weltweit Menschenrechte geschützt werden.
Gerade in der Logistik entstehen durch das neue Gesetz weitreichende Änderungen entlang der gesamten Supply-Chain. Worauf müssen sich Logistikunternehmen in Zukunft einstellen?
Das Gesetz erlässt seine Sorgfaltspflichten für verpflichtete Unternehmen und alle seine unmittelbaren und mittelbaren Zulieferer. Für die Überprüfung der weiteren Lieferkette (z.B. Weiterverarbeitung, Großhandel, etc.) ist das verpflichtete Unternehmen nicht verantwortlich. Da das Gesetz aber nicht nur Warenströme, sondern auch Dienstleistungen umfasst, sind Logistikunternehmen natürlich einzubeziehen. Es ist zu erwarten, dass die betroffenen Unternehmen bei Ihren Risikoanalysen auch Logistiker einbeziehen und Erklärungen von diesen einfordern.
Das LkSG gilt zunächst nur für Unternehmen mit mehr als 3.000 Arbeitnehmer:innen – ab 1. Januar 2024 dann auch für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten. Kleine und mittelständische Unternehmen scheinen erstmal nicht betroffen zu sein. Wie beurteilen Sie diesen Sachverhalt unter Berücksichtigung des breiten Sub-Dienstleister-Netzwerks von Logistikern?
Wie bereits ausgeführt, sind viele Unternehmen als Teil der Wertschöpfungskette vom Gesetz betroffen. Bei entsprechender Größe fallen Logistiker direkt unter das Gesetz. Alle anderen werden durch „große“ Unternehmen gezwungen, Erklärungen abzugeben. Die Logistiker müssen auch Ihre Sublieferanten einbeziehen. Das Gesetz betrifft also deutlich mehr als nur große Unternehmen. Kleine und mittelständische Logistikunternehmen spüren also auch ab dem 1.1.2023 die Auswirkungen des neuen Lieferkettengesetzes auf Ihre logistischen Tätigkeiten und Geschäftsbeziehungen.
Aktuelle Chancen & Herausforderungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes
Vor welchen weiteren Herausforderungen stehen Logistikunternehmen bei der Umsetzung und Einhaltung des neuen Gesetzes?
Logistiker müssen sich intensiv nicht nur mit ihren direkten Vor- bzw. Sublieferanten auseinandersetzen, sondern mit allen Unternehmen bis zum Beginn der Wertschöpfung. Hier wird erst einmal Recherche notwendig sein. Und dann gibt es Dokumentations- und Berichtspflichten für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht die nicht zu unterschätzen sind. Deutsche Unternehmen dokumentieren zumeist gründlich und viel – was natürlich gute Voraussetzungen für die Einhaltung des Lieferkettengesetzes sind. Hier gilt es aber auch für alle Firmen, die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen, damit Daten zum Beispiel nicht mehrfach eingeben werden müssen oder Prozesse und Workflows in Unternehmen bestenfalls automatisiert ablaufen.
Wo sehen Sie die Chancen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes bezogen auf die gesamte Supply Chain?
Grundsätzlich ist es immer so, dass die intensive Beschäftigung mit einem Thema zu Verbesserungen führt. Vieles wird transparent. Die Chancen sehe ich in der Verbesserung der Menschenrechte und Arbeitsbedingungen. Auch der Umweltschutz wird mehr berücksichtigt, da beispielsweise keine Pestizide auf Felder gesprüht werden dürfen, auf denen gerade Menschen arbeiten.
Wie können Logistikunternehmen die Pflichten des LkSG erfolgreich umsetzen?
Es gibt inzwischen Handreichungen der Überwachungsbehörde BAFA, die Hinweise geben. Ansonst rate ich dazu sehr pragmatisch an dieses Thema heranzugehen. Dazu müssen allerdings durch das Management die Rahmenbedingungen wie personelle Ressourcen, Zeit und Budgets bereitgestellt werden. Das Thema muss ernst genommen werden, die Sanktionen werden sonst kommen. Auch hier gilt: Unwissenheit schützt nicht vor Strafe.
Digitalisierung und der Einsatz von Software
Inwieweit spielen digitale Lösungen und automatisierte Software eine Rolle zur Umsetzung und Einhaltung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz?
Die Umsetzung der Einrichtung eines Risikomanagements und die Durchführung von Risikoanalysen sowie Dokumentations- und Berichtspflichten sind aufwendig und nur digital effizient umzusetzen. Die Wertschöpfungsketten sind ja stark fragmentiert und daher stehen viele Unternehmen zueinander in Kontakt. Da kommen viele notwendige Informationen zusammen. Hier ist zudem die Kunst, einen internen und externen Kommunikationsworkflow aufzubauen, an dem alle Stakeholder beteiligt sind. Softwarelösungen, die diesen Anspruch umsetzen können, erleichtern Unternehmen immens die Einhaltung der Sorgfaltspflichten und erleichtern die Zusammenarbeit – intern sowie extern.
Pflichten des Lieferkettengesetzes ab 2023 in der Logistik – praxisnahe Tipps zur digitalen Umsetzung
Zum Schluss: Was ist Ihre persönliche Meinung zum LkSG?
Ich halte das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz für einen guten Ansatz, da die Einhaltung der Menschenrechte zweifelsfrei ein schützenswertes Ziel ist. Es ist auch gut, dass Deutschland hier schneller als die Gesetzgebung der EU ist. Wir müssen aber wie bei aller Regulatorik aufpassen, dass nicht nur dokumentiert, sondern auch gehandelt wird. Ich halte es auch für richtig, dass in der Folge Produktpreise zum Beispiel für Textilien steigen werden.