Digitale Souveränität ist Mittel zum Zweck: Holger Schultheiß im Interview

Veröffentlicht 15.04.2024

Holger Schultheiß Chief Product Owner Open Telekom Cloud T-Systems International GmbH

Beitragsbild zum Blogartikel digitale Souveränität. Menschen vorm PC

Alles begann mit Gaia-X: 2019 brachte die europäische Initiative das Thema Souveränität auf die IT-Agenden. In der Folgezeit wirbelte die Initiative recht viel Staub auf und offenbarte, wie unterschiedlich das Verständnis von digitaler Souveränität sein kann. Mittlerweile hat sich der Staub gelegt und der Blick wird klarer.

Mit der Digitalstrategie, der deutschen Verwaltungscloud und dem EU Data Act haben verschiedene politische Institutionen ihre Erwartungen an Souveränität formuliert und Vorgaben geschaffen. Wir sprachen mit Holger Schultheiß, dem Chief Product Owner der Open Telekom Cloud, über Souveränität in der Cloud und seine Sicht auf dieses so relevante Thema gesprochen.

Souveränität ein politisches Thema?

d.velop blog: Es scheint, als ob Digitale Souveränität primär ein politisches Thema für die öffentliche Verwaltung ist …

Holger Schultheiß: Dieses Statement kann man guten Gewissens mit Ja und Nein beantworten. Tatsache ist: Europäische (geopolitische) Interessen sind ein prägender Faktor für die Diskussionen rund um Souveränität. Immerhin hält der CIO des Bundes fest: „In der Öffentlichen Verwaltung bestehen hohe Abhängigkeiten zu einzelnen Technologieanbietern. Dies birgt die Gefahr, die Kontrolle über die eigene IT zu verlieren und u. a. Informations- und Datenschutz gemäß nationalen und EU-weit gültigen Vorgaben nicht mehr gewährleisten zu können“. Wir sollten aber nicht übersehen, dass das eigentliche Konzept der Souveränität weit über Politik und öffentliche Verwaltung hinausgeht. Souveränität ist auch eine Option und Chance für Privatunternehmen.

Wir sollten aber nicht übersehen, dass das eigentliche Konzept der Souveränität weit über Politik und öffentliche Verwaltung hinausgeht. Souveränität ist auch eine Option und Chance für Privatunternehmen.

Holger Schultheiß
Chief Product Owner Open Telekom Cloud
T-Systems International GmbH

d.velop blog: Inwiefern?

Holger Schultheiß: Souveräne IT schafft Vertrauen bei Kunden und Geschäftspartnern und wird so zu einem Wettbewerbsfaktor. Das sehen wir bei unseren Kunden und Partnern. Wir bewegen uns in einer Welt, die zunehmend von Daten geprägt wird – und Mehrwerten, die aus Datenentstehen. Denken wir nur an Analysen für neue Business-Einblicke oder das Hypethema schlechthin: das Training von Künstlichen Intelligenzen (KI), die einen enormen Hunger nach qualitativ hochwertigen Daten haben. Datensouveränität spielt dafür eine essenzielle Rolle. Und sie ist nur ein Aspekt von Souveränität.

Die EU hat den Wert von Daten erkannt und den Data Act ins Leben gerufen.

EU Data Act

d.velop blog: Was sind die wichtigsten Aspekte dieser Verordnung?

Wir sollten den Data Act im Gesamtzusammenhang mit den anderen Initiativen der digitalen Dekade und der europäischen Digitalstrategie sehen. Der digitale Wandel zielt auf eine Daten-basierte Welt. Und die braucht eben Daten. Deren Kontrolle und sicherer Austausch braucht einen Rahmen, den der Data Act schafft. Vor allem die neuen Regelungen für den Wechsel zwischen verschiedenen Anbietern von Datenverarbeitungsdiensten sind für uns als Cloud-Anbieter ein wichtiges Thema.

Wechselmöglichkeiten schaffen Wahlfreiheit und sind damit auch ein wesentlicher Teil von digitaler Souveränität.

Definition von Souveränität

d.velop blog: Wie lässt sich Souveränität eigentlich definieren?

Holger Schultheiß: Eine allgemein verbindliche, akademische Definition von Souveränität werden wir wohl nie haben. Es ist ein wenig wie in den Anfangstagen der Cloud, als Hunderte von Definitionen durch das Internet schwirrten – und sich bis heute gehalten haben. Die NIST hat einen Definitionsversuch gewagt, der weithin anerkannt ist. Aber dennoch liegt das Wesen der Cloud auch heute noch im Auge des Betrachters. Übertragen auf Souveränität fühle ich mich erinnert an die alte Fußballweisheit:

Souveränität ist, wenn der Schiedsrichter pfeift

Holger Schultheiß
Chief Product Owner Open Telekom Cloud
T-Systems International GmbH

Als IT-Provider würde ich Souveränität vom Resultat für den Endnutzer aus definieren: Souveränität bedeutet unter dem Strich nichts anderes als Zukunftssicherheit, ein Höchstmaß an Unabhängigkeit und Kontrolle aufseiten des Anwenders – für die genutzten IT-Dienste, wenn wir auf digitale Souveränität schauen. Das sind mit Sicherheit wichtige und starke Mehrwerte.

Rolle der Cloud bei der digitalen Souveränität

d.velop blog: Welche Rolle spielt dabei die Cloud?

Holger Schultheiß: Die Cloud hat sich als Digitalisierungsmotor etabliert – ihre Mehrwerte sind unbestreitbar. Aber digitale Souveränität beginnt bei Infrastrukturen, braucht also eine souveräne Cloud-Nutzung. Das hat mehrere Aspekte. Zum einen können US-amerikanische Hyperscaler Clouds einige Souveränitätsanforderungen nicht „out of the box“ bedienen, z.B. Datenresidenz oder die Unterbindung des Zugriffs aus den USA.

Eine Alternative dazu könnte eine souveräne, europäische Cloud wie die Open Telekom Cloud sein. Die deutsche Verwaltungscloud-Strategie wiederum sieht Multi-Cloud-Ansätze mit offenen Schnittstellen und strengen Sicherheits- und Transparenzvorgaben als Lösung, um eine Abhängigkeit von einzelnen (Infrastruktur-) Providern zu reduzieren. Optimal wird für Anwender eine Kombination der beiden Ansätze sein.

d.velop blog: Welche Bedingungen muss eine souveräne Cloud mitbringen?

Holger Schultheiß: Wir sehen drei wesentliche Anforderungen für eine souveräne Cloud:

  • Souveräne Datennutzung – auch in Einklang mit den geltenden Regularien (wie der DSGVO / GDPR) für sensible Daten,
  • Souveräner Betrieb – innerhalb der EU mit EU-Mitarbeitern und
  • Technologische Souveränität – für ein Höchstmaß an Transparenz (durch Open Source) und Portabilität von Workloads.

Dazu muss die Cloud – aber das gehört zu ihrem Business-Zweck – zukunftsfähig sein. Sie braucht eine kontinuierliche Weiter-Entwicklung entlang der technischen Möglichkeiten und Bedürfnisse der Nutzer.

Unter dem Strich: Die souveräne Cloud muss ein zuverlässiger, transparenter Partner für ihre Anwender sein. Das wird in Zukunft übrigens auch bedeuten, dass sie eine klare Nachhaltigkeitsstrategie braucht, die über „Die Cloud ist per se grün“ hinausgeht.

Souveränität mit der Open Telekom Cloud

d.velop blog: Wie ist das bei der Open Telekom Cloud gelöst?

Holger Schultheiß: Die Open Telekom Cloud ist als souveräne Cloud in Übereinstimmung mit der europäischen/deutschen Rechtsprechung konzipiert. Souveränität ist quasi eingebaut. Mit Rechenzentren in Europa und Personal aus Europa erfüllen wir die grundlegenden Anforderungen an einen souveränen Betrieb per Design.

Wir bieten ein Bündel von Zusatzleistungen für Sicherheit und Compliance. Wir können speziell auf die Bedürfnisse von Berufsgeheimnisträgern (wie Anwälte und Ärzte) eingehen und unsere Plattform ist in der Lage, Sozialdaten zu verarbeiten.

Spezielle Zertifikate belegen die Souveränität der Open Telekom Cloud. Durch den Einsatz von Open Source schaffen wir für unsere Kunden hohe Transparenz. Darüber hinaus bieten wir vielfältige Angebote (z.B. Cloud Create), mit denen Nutzer ihre Workloads auf andere Plattformen verlagern können. Mehr Unabhängigkeit und Kontrolle, aka Souveränität, geht kaum.

OTC: Vorteile für Partner

d.velop blog: Auch wir bei d.velop nutzen die Open Telekom Cloud, um unsere Cloud-Services anzubieten. Was macht die Partnerschaft so besonders wertvoll für Organisationen aus regulierten Branchen wie dem Gesundheitswesen oder dem öffentlichen Sektor?

Holger Schultheiß: Souveränität und Nachhaltigkeit sind heute Hygienefaktoren für den Einsatz digitaler Lösungen – vor allem in regulierten Branchen und der öffentlichen Verwaltung. Aber niemand sollte eine „Extrameile für Souveränität“ gehen müssen. Mit der Partnerschaft können wir Kunden Komplett-Lösungen mit eingebauter Datensouveränität bieten, die alle regulatorischen Anforderungen erfüllen.

d.velop „belebt“ die Cloud mit einfach gebrauchsfertigen Lösungen für Endnutzer, die Open Telekom Cloud als souveräner Motor bringt Flexibilität und Skalierbarkeit mit.

Souveränität muss allgemein verbindlicher Qualitätsstandard sein

d.velop blog: Souveränität ohne Extrameile – was bedeutet das konkret?

Holger Schultheiß: Häufig wird digitale Souveränität zum ultimativen Ziel verklärt, zum Wert an sich. Aber ich denke, dieser Blickwinkel ist falsch. Digitale Souveränität ist nicht Ziel, sondern nur Mittel zum Zweck. Es ist eine Art, digitale Lösungen zu entwickeln, zu betreiben und zu konsumieren, die zeitgemäßen Anforderungen von IT-Nutzern erfüllt. Souveränität sollte sich zu einem allgemein verbindlichen Qualitätsstandard entwickeln: „Sovereignty inside“ – wie eben in einem Bier nur Gerstenmalz, Hefe, Hopfen und Wasser sind.

Souveränität mit OTC auf dem d.velop summit 2024 erleben

d.velop blog: Wir sagen Danke für die spannenden Einblicke in das Thema Souveränität.

Wer sich gerne persönlich zum Thema Souveränität und Open Telekom Cloud austauschen möchte, hat dazu am 12. und 13. Juni 2024 bei d.velop summit in Düsseldorf ausreichend Gelegenheit. Denn wir konnten die Open Telekom Cloud als Main-Sponsor für dieses spannendes Digitalisierungsevent gewinnen.

Vortrag von Holger Schultheiß steht auf dem d.velop summit 2024

Holger Schultheiß als Speaker auf dem d.velop summit 2024.

Künstliche Intelligenz – Schluss mit hätte und könnte: Wer nicht über KI redet, wird nicht ernst genommen. Doch viel des Redens ist Theorie. Nur wenige Unternehmen haben tatsächlich KI-Expertise und realisieren KI-Projekte. Holger Schultheiß, Chief Product Owner für die Open Telekom Cloud zeigt auf, welche Wege in die KI hinein Unternehmen offenstehen, um schnell zur eigenen KI zu kommen.

Sei beim d.velop summit 2024 dabei!

Wer beim d.velop summit dabei sein möchte, hier geht es zur Anmeldung und der Agenda: