Wir erinnern uns nur zu gut an das traurige Ende des Jahres 2022: Die Frist zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) war abgelaufen. Sowohl die meisten öffentlichen Verwaltungen als auch die Bevölkerung und Unternehmen standen, wie längst überall angekündigt, vor einem Trümmerberg der nicht digitalisierten Verwaltungsleistungen. Das Gesetz wurde in der Fach-Community sowie den politischen und medialen Landschaften unisono für kläglich gescheitert erklärt.
Wie das Bundeskabinett mit dem OZG-Änderungsgesetz die öffentliche Verwaltung erneut entbürokratisieren will
Mindestens ein halbes Jahr lang wurde daher über die unmögliche Umsetzung sowie die unerreichbaren Ziele des OZG gespottet, gestritten und um klügere Lösungen gerungen. Nun, ausgerechnet am 24. Mai 2023 – dem Tag der Weinbergschnecke (USA) – ist die verlorene Wette um den Grauburgunder von Herrn Altmaier aus dem Jahr 2017 längst vergoren und vergessen.
OZG mit Dokumentenmanagement erfolgreich meistern
Denn am 24. Mai ging folgende Online-Mitteilung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) ein: „Bundesregierung beschließt Paket für die digitale Verwaltung“. Aus Behördendeutsch übersetzt: „Die Bestellung für das OZG 2.0 Paket ist eingegangen. Eine Bestätigung wurde gesendet.“ Immerhin.
Gesetzentwurf zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes
Werfen wir doch gleich einen kurzen Blick auf die einzelnen Positionen in der Auftragsbestätigung für das Paket – also der Gesetzentwurf zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes (OZG-Änderungsgesetz – OZGÄndG) und das zeitgleich veröffentlichte Eckpunktepapier „für eine moderne und zukunftsgerichtete Verwaltung“.
Abermalige Modernisierung der deutschen Verwaltung
Der Gesetzentwurf zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes soll zum einen die Leitplanken für eine „Weiterdigitalisierung“ der Verwaltung aufzeigen und zum anderen die Voraussetzungen für digitale, nutzerfreundliche Verfahren schaffen. In diesem von der Bundesinnenministerin Nancy Faeser bestellten Paket für die digitale Verwaltung sollen sowohl Bürger:innen als auch Unternehmen bedacht und Länder sowie Kommunen unterstützt werden:
- Ein zentrales Bürgerkonto „BundID“ mit einem digitalen Postfach für die beidseitige Kommunikation zwischen Bürgern:innen und Behörden.
- Die faktische Abschaffung der Schriftform, wodurch zukünftig alle Leistungen rechtssicher mittels der Onlineausweisfunktion des Personalausweises digital und ohne händische Unterschrift beantragt werden können.
- Die flächendeckende und medienbruchfreie Ende-zu-Ende-Digitalisierung der 15 wichtigsten Verwaltungsleistungen, wie z. B. der Führerschein, die Eheschließung, das Elterngeld, die Baugenehmigung oder das Wohngeld bis spätestens 2024.
- Die Vereinbarung des Once-Only-Prinzips für das elektronische Abrufen eines Antragsnachweises bei dem zuständigen Amt, mit Einverständnis der antragstellenden Person.
- Durch Nutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit elektronischer Verwaltungsleistungen sollen staatliche Angebote im World Wide Web auf die Bedürfnisse der Bevölkerung zielgerichteter eingehen.
- Alle öffentlichen Verwaltungen, welche digitale Verwaltungsleistungen im Portalverbund anbieten, werden zu der Verwendung des sogenannten Organisationskontos verpflichtet, sodass auch Unternehmen künftig ihre Anträge über ein zentrales Konto stellen können.
- Die unternehmensbezogenen Leistungen sollen bis spätestens 2028 ausschließlich digital angeboten werden, sofern sie „der Ausführung von Bundesgesetzen auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechts dienen“.
Mit unserem Paket für die digitale Verwaltung gehen wir heute einen weiteren großen Schritt, um unser Land moderner, bürgernäher und digitaler zu machen. Wir wollen das Leben der Menschen leichter machen, wertvolle Zeit sparen, der Zettelwirtschaft ein Ende bereiten und Behördengänge vermeiden. Besonders begrüße ich, dass wir uns gemeinsam mit Ländern und Kommunen jetzt auf 15 besonders wichtige Leistungen fokussieren. Das ist ein großer Gewinn für die Bürgerinnen und Bürger – und ein Meilenstein auf dem Weg zum digitalen Staat.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser
BundID & eID: ein Postfach für alle
Mit dem OZG 2.0 „feiert“ die Bundesregierung gleichzeitig auch das digitale Postfach, die sogenannte „BundID“, welches künftig flächendeckend eingeführt werden soll. Damit sollen die Bürger:innen all ihre Anträge bequem vom heimischen Sofa aus stellen und bearbeiten können. Die BundID soll demnach bundesweit einheitlich genutzt werden, sodass Bundesländer, wie Bayern oder Baden-Württemberg, ihre eigenen ID-Konten und damit auch die eigenen Bemühungen diesbezüglich bitte innerhalb von drei Jahren „begraben“ sollen. Einige andere Länder haben bereits angekündigt, dies aus freien Stücken machen zu wollen.
Auch vonseiten der Ämter wäre es mit der BundID möglich, aufkommende Fragen direkt über das Postfach zu klären oder die Antragstellenden über den bevorstehenden Ablauf von Fristen zu unterrichten. Vorausgesetzt, die Bürger:innen nutzen einen elektronischen Identitätsnachweis, wie zum Beispiel die Online-Ausweisfunktion des Personalausweises – auch eID genannt. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie groß das Interesse und die Akzeptanz der BundID sowie der eID in der Bevölkerung wirklich sein werden. Denn wie der Mensch mit der Behörde kommunizieren möchte, entscheidet schlussendlich der Mensch, nicht das Gesetz.
Umsetzungsfrist 2.0 und verbindliche Standards für Länder und Kommunen?
Der Gesetzentwurf zum OZG 2.0 legt zwar den Schwerpunkt auf medienbruchfreie Prozesse, steht dennoch im Zeichen der gelebten Zurückhaltung: So wird in dem Beschluss an dem breit kritisierten Nichtvorhandensein konkreter Umsetzungsfristen kaum gerüttelt. Auch ein Rechtsanspruch der Bürger:innen auf digitale Verwaltungsleistungen besteht dort nicht. Zudem fehlen in dem Papier konkrete Zuständigkeiten.
So könnte es für alle Parteien schwer einzuschätzen sein, bis wann welche Maßnahmen wie und von welcher Seite genau umgesetzt werden sollen. Klar ist: Wer sich für die Umsetzung weitere fünf bis zehn Jahre Zeit lässt, weil keine Strafen zu befürchten sind, wird immer mehr unter Druck geraten, am Ende des Tages ein Digitalisierungs-Schlusslicht statt ein Leuchtturm für die eigenen Bürger:innen zu werden.
Digitale Lösungen bei der Stadt Ahaus: Thomas Spieker (CDO Stadt Ahaus) im Interview
So steht es am Ende dieser Auftragsbestätigung: Die voraussichtliche Zustellung des OZG 2.0 Paketes wird zwischen dem 31.12.2023 und 31.12.2027 erfolgen. Die Bestellung wird bevorzugt behandelt.
Fortsetzung folgt.