IATF 16949 – Anforderungen & Mehrwerte der Zertifizierung

Tim Wohlert Account Executive d.velop

Beitragsbild Blogartikel IATF 16949

Kaum eine andere Branche erlebt derzeit einen so tiefgreifenden Wandel wie die Automobilindustrie. Neue Technologien, steigende Kundenerwartungen und eine immer komplexer werdende globale Lieferkette zwingen Unternehmen dazu, ihre Produktionsprozesse kontinuierlich zu optimieren und Innovationen schneller umzusetzen. Dabei helfen wichtige internationale Qualitätsstandards wie IATF 16949. Laut Verband der Automobilindustrie (VDA) waren etwa bis zum 31. Dezember 2023 weltweit insgesamt 93.713 Standorte nach IATF 16949 zertifiziert.

Deutschland liegt mit 2.859 IATF-16949-Zertifikaten auf Rang 5

China führt mit 52.523 Zertifikaten, gefolgt von Indien (7.146) und Südkorea (5.278). Deutschland liegt mit 2.859 IATF-Zertifizierungen auf Platz 5 des Rankings. Diese Zahlen verdeutlichen die globale Bedeutung des etablierten Standards. In diesem dynamischen Umfeld hilft die IATF 16949 dabei, innovative Produkte zu entwickeln, die höchsten Qualitäts- und Sicherheitsstandards entsprechen. Wie Qualitätsmanagement-Software bei der Umsetzung dieses Standards unterstützt, erfahren Sie im folgenden Artikel.

Welche Rolle spielt der QM-Standard IATF 16949?

Um in der Automobilindustrie wettbewerbsfähig zu bleiben, ist das Erreichen einer optimalen Kosten-Exzellenz unerlässlich. Dazu bedienen sich die meisten Hersteller des sogenannten Outsourcings, d.h. der Auslagerung von bisher selbst erbrachten Leistungen an externe Auftragnehmer. Die daraus resultierenden, teils sehr komplexen Lieferketten, erfordern strenge Qualitätskontrollen und eine maximale Standardisierung. Vor diesem Hintergrund ist der Einsatz eines Qualitätsmanagementsystems mit einem strukturierten Qualitätskonzept von entscheidender Bedeutung. Die wesentlichen Anforderungen an ein solches Qualitätsmanagementsystem wurden international vereinheitlicht und im Rahmen der IATF 16949 festgehalten.

Hersteller von Komponenten, Baugruppen und Automobilteilen

Sie gilt für alle Unternehmen, die Komponenten, Baugruppen und Teile für die Automobilindustrie herstellen. Eine Zertifizierung nach der IATF 16949 ist oftmals sogar eine vertragliche Voraussetzung für die Zusammenarbeit innerhalb der Branche und führt bei Nichtvorhandensein zu einem Verlust der Beauftragungsfähigkeit.

Definition IATF 16949

Die IATF 16949 ist eine Norm, die existierende allgemeine Forderungen an Qualitätsmanagementsysteme der (meist nordamerikanischen und europäischen) Automobilindustrie vereint.

Die Entstehung der IATF 16949

In der Vergangenheit mussten viele Automobilzulieferer ihre Qualitätsmanagementsysteme nach den jeweiligen Bestimmungen der nationalen Verbände (bspw. der VDA in Deutschland oder die AIAG in den USA) aufbauen und zertifizieren lassen. Dies hatte zur Folge, dass ein Lieferant teils mehrere Zertifikate für die Zusammenarbeit mit nur einem international agierenden OEM benötigte. Aus diesem Umstand resultierte mit der Zeit ein immer größeres Harmonisierungsbedürfnis, sodass man schlussendlich versuchte, die allgemeinen Forderungen an Qualitätsmanagementsysteme in der Automobilindustrie zu vereinheitlichen. Dazu wurde im ersten Schritt die bestehende ISO 9001 um branchenspezifische Regelungen erweitert und im Jahr 1999 als erste Ausgabe der ISO TS 16949 veröffentlicht. Nach stetiger Weiterentwicklung in den folgenden Jahren wird die Norm seit Oktober 2016 nicht mehr als ISO TS 16949, sondern unter der Bezeichnung IATF 16949 geführt.

Was ist die IATF?

Die International Automotive Task Force (kurz IATF) ist eine Arbeitsgruppe der großen Automobilhersteller und ihrer jeweiligen nationalen Verbände, die mit dem Ziel gegründet wurde, die Produktqualität für Automobilkunden weltweit zu verbessern. Im Fokus steht dabei insbesondere die Entwicklung von international einheitlichen Anforderungen an Qualitätsmanagementsysteme für die direkten Zulieferer der teilnehmenden Unternehmen. Ebenso unterstützt die Arbeitsgruppe durch eine Bereitstellung von geeigneten Schulungsmaßnahmen dabei, die Vorgaben der IATF 16949 umzusetzen und einzuhalten.

Die IATF-Mitglieder setzen sich wie folgt zusammen:

1. OEM (Fahrzeughersteller):

  • BMW Group
  • Ford Motor Company
  • Geely Group
  • General Motors
  • IVECO Group
  • Jaguar Land Rover (JLR) Limited
  • Mercedes-Benz Group AG
  • Renault Group
  • Stellantis (ex FCA)
  • Stellantis (ex PSA)
  • Volkswagen AG

2. Nationale Verbände:

  • AIAG (USA)
  • ANFIA (Italien)
  • FIEV (Frankreich)
  • SMMT (Großbritannien)
  • VDA (Deutschland)

Die Struktur der IATF 16949

Die IATF 16949 basiert auf der High-Level Structure, welche von der internationalen Organisation für Normung (ISO) als Grundstruktur für Managementsystemnormen veröffentlicht wurde. Gemäß diesem Schema setzt sich die IATF 16949 aus den folgenden 10 Kapiteln zusammen:

  • Kapitel 1: Anwendungsbereich
  • Kapitel 2: Normative Verweisungen
  • Kapitel 3: Begriffe
  • Kapitel 4: Kontext der Organisation
  • Kapitel 5: Führung
  • Kapitel 6: Planung
  • Kapitel 7: Unterstützung
  • Kapitel 8: Betrieb
  • Kapitel 9: Bewertung der Leistung
  • Kapitel 10: Verbesserung

Relevant für eine IATF-Zertifizierung sind die Kapitel 4 bis 10. Hier werden die konkreten Anforderungen an ein Qualitätsmanagementsystem beschrieben. Der Aufbau folgt dabei dem PDCA-Zyklus, welcher ein grundlegendes Konzept für die kontinuierliche Weiterentwicklung von Produkten und Dienstleistungen darstellt. Das Modell besteht aus vier sich wiederholenden Phasen, die sich den oben genannten Kapiteln der IATF 16949 zuordnen lassen:

  • PLAN (Planung): Kapitel 4, 5 und 6
  • DO (Durchführung): Kapitel 7 und 8
  • Check (Prüfung): Kapitel 9
  • Act (Verbesserung): Kapitel 10

Die IATF-Zertifizierung und Re-Zertifizierung

Die Zertifizierung nach IATF 16949 erfolgt auf Basis der Zertifizierungsvorgaben, welche von der International Automotive Task Force (IATF) herausgegeben wurden. Das Zertifikat ist jedoch lediglich drei Jahre gültig und muss jährlich von IATF-zertifizierten Auditoren akkreditierter Zertifizierungsgesellschaften bestätigt werden. Nach jeweils drei Jahren ist eine Re-Zertifizierung für die nächste Periode mit erneut jährlicher Bestätigung erforderlich.

Anforderungen der IATF-16949-Zertifizierung

Eine wesentliche Anforderung für die IATF-16949-Zertifizierung ist die Dokumentation verschiedenster Unternehmensprozesse. So müssen beispielsweise die Kompetenzen der internen Auditoren, technische Spezifikationen, die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen, der Lieferantenauswahlprozess, gesetzliche und behördliche Anforderungen, die Überwachung der Lieferanten und das interne Auditprogramm in einer Prozessdokumentation schriftlich festgehalten werden. Ebenso ist die Erstellung eines Qualitätsmanagement-Handbuchs unerlässlich.

Fortlaufende Aktualisierung der Dokumente unabdingbar

Unternehmens- und Qualitätsmanagement-Prozesse sind gleichwohl in den wenigsten Fällen starr, sondern unterliegen einer hohen Dynamik. Die stetige Optimierung der internen und externen Prozesse muss somit auch in den Prozessbeschreibungen nachvollziehbar dokumentiert werden. Neben der initialen Erstellung ist also auch eine fortlaufende Aktualisierung der genannten Dokumente unabdingbar.

Interner Prüf- und Freigabeprozess vor Veröffentlichung

Vor der Veröffentlichung einer neuen Version wird in der Regel ein interner Prüf- und Freigabeprozess durchlaufen. Damit die Inhalte später auch entsprechend umgesetzt werden, müssen die Prozessdokumentationen zudem zentral und für alle beteiligten Mitarbeitenden zugänglich aufbewahrt werden. Ergänzend dazu kann auch der Auditor im Kontext der jährlichen Zertifikatsbestätigung und/oder Re-Zertifizierung eine Einsicht in die Unterlagen verlangen.

Integration von IATF 16949 mit anderen Normen

Die IATF 16949 ist problemlos mit anderen Managementsystemen wie ISO 14001 (Umweltmanagement) oder ISO 45001 (Arbeitsschutz) integrierbar, da sie die gleiche High-Level Struktur (HLS, standardisierte Grundstruktur für Managementsystem-Normen) nutzen.

Kombination mit anderen Normen

  • ISO 9001: Die Basis für die IATF 16949 – ohne sie keine Zertifizierung.
  • ISO 14001: Ergänzt Umweltaspekte für nachhaltige Produktion.
  • ISO 45001: Stärkt den Arbeitsschutz im Werk.

Praxisnahe Integration

  • Prozess-FMEA (Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse) hilft, Risiken frühzeitig zu erkennen.
  • Poka-Yoke-Methoden (Fehlersicherung) minimieren Produktionsfehler.
  • Kontrollplan stellt sicher, dass alle Anforderungen stabil eingehalten werden.

Gerade OEM (Original Equipment Manufacturer) fordern zunehmend eine integrierte Herangehensweise, um die Effizienz zu steigern und Kosten zu senken. Die richtige Kombination von IATF 16949, ISO 9001 und anderen Normen schafft ein starkes Qualitätsmanagementsystem, das wettbewerbsfähig macht.

Herausforderungen bei der Implementierung von IATF 16949

Die Einführung der IATF 16949 erfordert eine tiefgehende Analyse und Anpassung bestehender Prozesse. Besonders die Implementierung von Prozess-FMEA, Poka-Yoke-Methoden und ein durchgängiger Kontrollplan sind herausfordernd. Zudem verlangen OEMs (Original Equipment Manufacturer) oft zusätzliche Anforderungen, die es zu erfüllen gilt.

Häufige Stolpersteine und Lösungen

  • Unklare Prozesse & fehlende Struktur: Klare Definition von Verantwortlichkeiten und Prozessen gemäß ISO 9001-Zertifizierung
  • Mangelnde FMEA-Integration: Regelmäßige Schulungen und cross-funktionale Teams für effektive Prozess-FMEA
  • Fehlende Fehlervermeidungsstrategien: Nutzung von Poka-Yoke-Methoden, um Fehlerquellen frühzeitig zu eliminieren
  • Widerstand gegen Veränderungen: Change-Management & Einbindung der Mitarbeiter:innen von Anfang an

Wer IATF 16949 clever mit anderen Normen kombiniert, Stolpersteine proaktiv angeht und Best Practices wie Poka-Yoke nutzt, stellt die Weichen für eine erfolgreiche Zertifizierung und nachhaltige Prozessverbesserung.

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Digitale Transformation & IATF 16949: smarter und sicherer

Die digitale Transformation revolutioniert das Qualitätsmanagement in der Automobilindustrie. Moderne Technologien optimieren die Umsetzung der IATF 16949 und vereinfachen Zertifizierungsprozesse nach ISO 9001. Für OEMs und Zulieferer bedeutet das: Höhere Prozesssicherheit, weniger Ausschuss und eine zukunftssichere ISO/TS 16949-Zertifizierung durch:

  • Prozess-FMEA & Poka-Yoke: KI-gestützte Analysen reduzieren Fehlerquellen und verbessern präventive Maßnahmen, indem sie potenzielle Risiken frühzeitig erkennen und Gegenmaßnahmen vorschlagen.
  • Digitale Kontrollpläne: Automatisierte Workflows sichern die Qualität entlang der gesamten Lieferkette, indem sie Prüfprozesse standardisieren und Abweichungen in Echtzeit erfassen.
  • Smart Data & IoT: Echtzeitüberwachung ermöglicht sofortige Korrekturen, minimiert Ausschuss und steigert Effizienz, da Sensoren und vernetzte Systeme kontinuierlich Prozessdaten analysieren und optimieren.

Schnellere und einfachere Erfüllung der IATF 16949 durch unterstützende Qualitätsmanagement-Software

Um das Handling der Dokumente dabei möglichst einfach zu gestalten, hat sich der Einsatz eines Dokumentenmanagement-Systems (DMS) vielfach bewährt. Mit einer solchen Lösung werden sämtliche für die IATF 16949 relevanten Dokumente (Prozessbeschreibungen, QM-Handbuch, etc.) in einer zentralen IATF-Akte strukturiert gespeichert und sind so jederzeit aufrufbar.

Prüf- und Freigabeworkflow aus dem DMS heraus gestartet

Gleichzeitig erhalten die Dokumente im DMS automatisch bestimmte Eigenschaftswerte (Metadaten) wie das Erstell- und Freigabedatum, die verantwortliche Person, vorgenommene Aktualisierungen mit erneuter Freigabe und der jeweilige Versionsstand. Folglich ist transparent dargestellt, wann und durch wen bestimmte Anpassungen vorgenommen wurden und welche Fassung aktuell gültig ist. Nach der Bearbeitung eines Dokumentes wird direkt aus dem DMS heraus ein Prüf- und Freigabeworkflow gestartet, welcher wie nachstehend skizziert aussehen könnte:

Infografik IATF 16946 Workflow

Automatische Workflows mit allen erforderlichen Personen

Im ersten Schritt erfolgt die Prüfung des neuen oder überarbeiteten Dokumentes durch eine zeichnungsberechtigte Person. Dies sind in der Regel die Prokuristen:innen, Geschäftsführer:innen oder der Vorstand. Sofern der Entwurf noch angepasst werden muss, geht der Workflow automatisch zur Überarbeitung zurück an die Person, die das Dokument erstellt hat.

Automatische Information über Neufassung von Dokumenten

Sobald das Dokument der Erwartungshaltung des Prüfenden entspricht, unterzeichnet er dies anschließend mit der integrierten Lösung zur digitalen Signatur einer QM-Dokumentation. Daraufhin erhält der QMB eine Benachrichtigung, sodass er die neue Version im DMS veröffentlichen kann. Mit diesem Moment verliert die bisherige Fassung ihre Gültigkeit und alle relevanten Mitarbeitenden werden automatisch durch den Workflow zur Kenntnisnahme des aktualisierten Dokumentes informiert.

Unterstützung durch digitale IATF-Akte

Ein DMS unterstützt im Kontext der IATF 16949 demnach bei der initialen Zertifizierung, indem sämtliche geforderten Dokumente zentral erstellt und in einer digitalen Akte strukturiert erfasst werden. Gleichermaßen sind nachträgliche Anpassungen der Inhalte jederzeit nachvollziehbar, sodass auch für die regelmäßigen Bestätigungen und Re-Zertifizierungen ein entsprechender Nachweis einfach möglich ist. Darüber hinaus werden die Unternehmensprozesse durch eine Verteilung der Informationen an alle Mitarbeitenden aktiv umgesetzt, was schlussendlich zu einer bedeutend höheren Effizienz führt.

FAQ

Was steht in der IATF 16949?

Die IATF 16949 ist eine internationale Norm für das Qualitätsmanagement in der Automobilindustrie, die auf der ISO 9001 basiert und Anforderungen für ein Qualitätsmanagementsystem (QMS) definiert, um Fehlervermeidung, Prozessoptimierung und kontinuierliche Verbesserung in der Lieferkette sicherzustellen. Sie umfasst Methoden wie die Prozess-FMEA, Poka-Yoke, Audit-Verfahren, Lieferantenbewertung, Kontrollpläne und fordert die Einhaltung von OEM-Kundenanforderungen, um die Normkonformität durch eine Zertifizierungsgesellschaft zu gewährleisten.

Was ist ein IATF 16949-Zertifikat?

Das IATF 16949-Zertifikat ist eine weltweit anerkannte Norm für das Qualitätsmanagement in der Automobilindustrie, die auf der ISO 9001-Zertifizierung basiert und Anforderungen wie Prozess-FMEA, Poka-Yoke-Methoden, Kontrollpläne und Lieferantenmanagement umfasst. Es hilft OEMs (Original Equipment Manufacturers) und deren Zulieferern, durch ein strukturiertes Qualitätsmanagementsystem eine kontinuierliche Produktionsprozessoptimierung und Qualitätssicherung sicherzustellen.

Was ist der Unterschied zwischen ISO 9001 und IATF 16949?

ISO 9001 ist eine allgemeine Norm für Qualitätsmanagementsysteme, während IATF 16949 speziell für die Automobilindustrie entwickelt wurde und zusätzlich zu den ISO-9001-Anforderungen spezifische Methoden wie Prozess-FMEA, Poka-Yoke und Kontrollpläne vorschreibt. Die IATF-16949-Zertifizierung ist für OEMs und Zulieferer der Automobilindustrie entscheidend, da sie höhere Anforderungen an Fehlervermeidung und kontinuierliche Verbesserung stellt.