Die papierbasierte Zustellung von Lohn- und Gehaltsabrechnungen ist ein kostspieliger Prozess. Der Druck, die Konfektionierung und der Versand sind nicht nur aufwändiger, sondern auch deutlich teurer als die elektronische Zustellung der Verdienstbescheinigung. Viele Unternehmen denken daher aktuell über eine Online Lohnabrechnung nach. In diesem Kontext taucht früher oder später immer wieder eine Frage auf: Haben Arbeitnehmer:innen ein Recht auf eine Gehaltsabrechnung in Papierform? Mit dieser Frage beschäftigen wir uns in diesem Blog-Artikel.
Besteht ein Recht auf Gehaltsabrechnung in Papierform?
Es gibt generell keine rechtliche Vorschrift, die ein Unternehmen dazu zwingt, eine Entgeltabrechnung in Papierform auszustellen. Ein Anspruch auf eine Lohnabrechnung in Papierform existiert also per se nicht. Hingegen ist in der Gewerbeordnung (GewO) rechtlich vorgeschrieben, dass Angestellten eine Abrechnung des Arbeitsentgelts in Textform ausgestellt werden muss. Im Gesetzestext steht wortwörtlich: „Dem Arbeitnehmer ist bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen.“ (§ 108 GewO )
Die Textform ist wiederum in § 126b BGB legal definiert, das heißt die Definition erfolgt in gesetzlicher Form. Danach muss „eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden.“ Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das
- es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und
- geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben.
Demzufolge entspricht eine Lohnabrechnung in Papierform ebenso der Textform, wie auch eine digitale Gehaltsabrechnung, beispielsweise als PDF. Neben dem Wörtchen „Textform“ ist jedoch ein weiteres Wort im § 108 GewO entscheidend. Und zwar das Wort „Erteilen“.
Wann gilt eine Gehaltsbescheinigung in Textform als erteilt?
Leitsatz des Landesarbeitsgerichts Hamm: 2 Sa 179/21
- Unter Erteilen einer Lohnabrechnung in Textform im Sinne des § 108 GewO ist nicht bereits die bloße Bereitstellung in ein elektronisches Postfach zum Abruf durch ein aktives Tun des Arbeitnehmers, sondern auch deren Zugang bei Arbeitnehmer zu verstehen. Der Arbeitgeber muss daher die Lohnabrechnung so auf den Weg zum Arbeitnehmer bringen, dass sie so in seinen Machtbereich gelangt, dass er unter gewöhnlichen Umständen von der Erklärung Kenntnis nehmen konnte.
- Die in elektronischer Form übermittelte Erklärung geht dem Empfänger nur dann zu, wenn er zuvor ausdrücklich oder konkludent zu erkennen gegeben hat, dass er mit der elektronischen Übermittlung der Lohnabrechnung einverstanden ist.
- Die bloße Zurverfügungstellung der Lohnabrechnung in elektronischer Form zum Abruf durch den Arbeitnehmer ist keine Erfüllung der Pflicht zur Erteilung einer Lohnabrechnung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB.
Das „Erteilen einer Erklärung in Textform“, wie es § 108 GewO sagt, liegt noch nicht vor, wenn die Abrechnung als elektronisches Dokument in einem personalisierten (elektronischen) Postfach durch den Arbeitgeber bereitgelegt wurde. Der Arbeitgeber hat seiner Pflicht zur Zustellung der Abrechnung nur dann Genüge getan, wenn die Gehaltsabrechnung in den Machtbereich des Empfängers gelangen ist. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber erst dann die Pflicht der Zustellung erfüllt hat, wenn der Arbeitnehmer die Abrechnung über das personalisierte Postfach auch tatsächlich abrufen kann, indem der Arbeitgeber den Zugang der Abrechnung über das personalisierte Postfach ermöglicht. Hierfür muss der Arbeitnehmer sich ausdrücklich oder stillschweigend damit einverstanden erklären, Entgeltabrechnungen über ein personalisiertes Postfach zu erhalten.
Um dies zu erreichen, muss also der Arbeitnehmer zum einen mit den entsprechenden technischen Möglichkeiten zum Empfang der Abrechnung über ein personalisiertes Postfach durch den Arbeitgeber ausgestattet werden und zum anderen muss der Arbeitnehmer mit dem Empfang auf diesem Wege einverstanden sein. Es empfiehlt sich daher auf Arbeitgeberseite, zum einen ein solches Postfach für jeden Arbeitnehmer einzurichten und diesem die Zugangsdaten sowie einen tatsächlichen Zugriff (z.B. durch Zurverfügungstellung eines PCs) zu geben, und zum anderen das (im besten Fall) ausdrückliche Einverständnis für den Empfang elektronischer Verdienstbescheinigung einzuholen. Letzteres kann etwa über eine Einverständniserklärung als Nebenvereinbarung zum Arbeitsvertrag geschehen. Hier empfiehlt es sich, eine ausdrückliche Einverständniserklärung einzuholen, damit der Arbeitgeber etwaigen Nachweispflichten nachkommen kann.
Arbeitnehmern, die keinen Zugang zu einem PC haben, muss ein solcher Zugang ermöglicht werden. Zudem sollte den Arbeitnehmern auch der Zugang zu einem Drucker ermöglicht werden, damit diese sich die Abrechnung ausdrucken können.
Digitale Gehaltsabrechnung: Mitarbeiter:innen effizient und sicher erreichen.
Einbindung des Betriebsrats bei einer Umstellung auf digitale Gehaltsabrechnung
Ob ein Betriebsrat über die Einführung einer elektronischen Abrechnungszustellung mitbestimmen muss, ergibt sich aus den § 74 ff. BetrVG. Spannende Details finden Sie im Blog-Artikel: Betriebsvereinbarung elektronische Gehaltsabrechnung: Warum diese für Arbeitgeber keine Pflicht – jedoch eine Notwendigkeit sein sollte.
Ausnahmen bestätigen die Regel
Die genannten Vorschriften gelten jedoch nicht universell. So können insbesondere Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen anderes vorsehen. Wenn in diesen steht, dass die Abrechnung in Papierform erteilt werden muss, dann muss diese dem Arbeitnehmer weiterhin schriftlich übermittelt werden, also etwa per Post zugestellt oder in einem Umschlag übergeben werden. Hier besteht das Recht auf eine Gehaltsabrechnung in Papierform.