Maverick Buying – wie wildes Kaufverhalten den Einkauf ausbremst

Veröffentlicht 29.11.2022

Thomas Buddendick Director Corporate Marketing d.velop

Maverick Buying

Eigeninitiative der Mitarbeitenden wird in den meisten Betrieben gern gesehen. Doch was passiert, wenn Eigeninitiative so weit geht, dass Mitarbeitende auf Rechnung des Unternehmens, aber ohne Zustimmung der Einkaufsabteilung, z.B. durch Stellen eines Beschaffungsantrags, Betriebsmittel beschaffen? Zunächst einmal handelt es sich bei diesem Phänomen um keine Seltenheit, es besitzt sogar einen eigenen Titel: Maverick Buying. Für uns Grund genug ein wenig genauer hinzusehen und uns mit den Typen, Folgen und Gründen von wildem Kaufverhalten zu beschäftigen – Heilmittel inklusive.

Was ist Maverick Buying genau?

Maverick Buying beschreibt ein Phänomen, bei dem Mitarbeitende innerhalb eines Unternehmens oder einer Organisation auf eigene Faust und ohne Rücksprache mit der Einkaufsabteilung oder Vorgesetzten Produkte oder Dienstleistungen kaufen. Dieses Verhalten wird oft als wildes Kaufverhalten bezeichnet und kann zu ineffizienten Beschaffungsprozessen führen, da es die Kontrolle über das Einkaufsverhalten innerhalb eines Unternehmens reduziert wird.

Maverick Buying
Maverick Buying: Beschaffungen ohne Wissen der Einkaufsabteilung

3 Arten von Maverick Buying

Bevor wir den Gründen für Maverick Buying auf den Grund gehen, ist es zum Einstieg hilfreich, einen kurzen Blick auf die verschiedenen Typen von Maverick Buying zu werfen. Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Ausprägungen von wildem Kaufverhalten:

  1. Typ 1 Die Beschaffung läuft komplett am Einkauf vorbei.
  2. Typ 2 Der Einkauf wird erst sehr spät einbezogen.
  3. Typ 3 – Vorliegende Rahmenverträge werden schlicht nicht genutzt.

Gründe für Maverick Buying:

Wenn Mitarbeitende, in welcher Form auch immer, die Beschaffung selbst in die Hand nehmen, entstehen für Unternehmen eine Reihe von Problemen und Nachteilen. Doch was führt Mitarbeitende zu genau der Eigeninitiative, die sich manch ein Arbeitgeber in anderen Bereichen so wünschen würde?

Darum nehmen Abteilungen die Beschaffung selbst in die Hand

Für wildes Kaufverhalten gibt es verschiedenste Gründe. In der Regel ist es allerdings so, dass den Angestellten nicht in vollem Umfang bewusst ist, wie groß der Schaden für den Einkauf und damit auch für ihren Arbeitgeber ist. Zu den häufigsten Gründen gehören:

  1. Mangelnde Kommunikation/Transparenz über Prozesse und Rahmenverträge
  2. Fehlendes Vertrauen in die Einkaufsabteilung
  3. Mangelnde Geschwindigkeit bei dringendem Bedarf
  4. Persönliche Präferenzen und Beziehungen zu anderen Herstellern
  5. Falsche Einschätzung von Kompetenzen innerhalb des Unternehmens
  6. Fehlende Betrachtung des Gesamtkontextes und der Gesamtkosten

Vorteile von Maverick Buying – geht das?

Anhand der Ursachen für Maverick Buying lässt sich bereits erahnen, dass die Bewertung von wildem Kaufverhalten innerhalb eines Unternehmens stark vom jeweiligen Betrachter abhängt. Während der Einkauf darum bemüht ist, den Beschaffungsprozess so strukturiert wie möglich zu gestalten, geht es den Fachbereichen vor allem darum, schnell, flexibel und mitarbeiterfreundlich zu agieren. Konflikte und Diskussionen sind vorprogrammiert. Völlig neutral betrachtet ergeben sich die folgenden Vorteile

  • Geschwindigkeit
  • Individualität & Flexibilität
  • Nutzung von Sonderangeboten

Risiken von Maverick Buying

Neben den Vorteilen, die Fachbereiche im Maverick Buying sehen, ergeben sich jedoch auf der anderen Seite enorme Risiken für das Unternehmen:

Laut einer Studie der Unternehmensberatung Spring Procurement werden rund 34 Prozent an Waren und Dienstleistungen durch die verschiedenen Abteilungen bezogen, ohne die Einkaufsabteilung zu informieren. Die resultierenden Folgen durch Maverick Buying sind vielseitig und verursachen im Schnitt Mehrkosten von 15 Prozent.

Häufige Risiken von Maverick Buying im Überblick

  • Korruptionsgefahr: Inoffizielle Lieferanten könnten Zahlungen an Einkäufer privat tätigen (Kick-Back-Zahlungen)
  • Mangelnde Transparenz über die gesamten Kosten eingekaufter Kostenarten
  • Unzureichend qualifizierte Lieferanten erhalten Aufträge
  • Erschwerung der Rechnungsprüfung, weil Bestelldaten fehlen
  • Beschaffungsprozesse werden nicht wie vorgeschrieben eingehalten (bspw. im Hinblick auf die Ermittlung von Bedarfen, Unterschriftenregelungen und Budgetvorgaben)
  • Folgekosten können durch umstrittene Garantie- und Gewährleistungen auftreten
  • Keine Preisvergleiche aufgrund von fehlenden Angebotsvergleichen
  • Lieferantenskonti werden seltener in Anspruch genommen, da sich Prozesszeiten erhöhen
  • Erhöhung der Lieferantenanzahl führt zu geringen Volumenbündelungen

Maverick Buying kontrollieren, ohne Angestellte auszubremsen

Obwohl sich durch Maverick Buying gerade für Angestellte einige Vorteile in der täglichen Arbeit ergeben, überwiegen für Unternehmen insgesamt die Nachteile. Laut Daniel Wiese, Partner bei der Boston Consulting Group, geht es für den Einkauf daher darum, sich eine Rolle als zentrale Schaltstelle im Unternehmen zu erarbeiten und sie durch die konsequente Anwendung aller Beschaffungshebel zu behaupten. Bei den vielen verschiedenen Blickwinkeln auf das Thema eine durchaus herausfordernde Aufgabe. Die Maßnahmen gegen Maverick Buying sind daher mit Bedacht und Fingerspitzengefühl zu wählen.

Transparenz & Klarheit schaffen

Bei Problemen mit wildem Kaufverhalten sollte es oberste Priorität des Einkaufs sein, Transparenz und Klarheit über die Tätigkeiten des Einkaufs zu schaffen. Nur wenn Angestellte möglichen Mehraufwand als sinnvoll erachten und in einen Gesamtkontext einordnen können, werden sie auch interne Vorgaben berücksichtigen – hier ist vor allem Aufklärungsarbeit gefordert.

Klar definierte & kommunizierte Verantwortlichkeiten

Gleichzeitig sollten die Verantwortlichkeiten innerhalb des Unternehmens klar definiert und kommuniziert werden. Bei aller Offenheit darf nicht vergessen werden, den Einkauf unmissverständlich als die eine Anlaufstelle für alle Beschaffungen zu positionieren. In der Regel ist es nämlich nicht die Aufgabe der Fachbereiche Lieferanten zu recherchieren, Konditionen zu verhandeln oder Bestellungen auszulösen.

Das Heilmittel: Nutzerfreundliche digitale Beschaffungsprozesse

Zuallerletzt geht es aber vor allem darum, Beschaffungsprozesse auch technisch so einfach wie möglich zu gestalten – und das geht am besten digital!

Ein Beschaffungs- oder auch Purchase to Pay-Prozess besteht klassischerweise aus fünf analogen Einzelschritten, die wiederum in weitere Teilprozesse aufgegliedert werden können: Beschaffungsantrag, Bestellung, Wareneingang, Rechnung und Bezahlvorgang.

Wenn dieser Prozess analog abläuft und nicht in seiner Gesamtheit betrachtet wird, entstehen an den jeweiligen Schnittstellen einige Stolperfallen für Unternehmen. Mit dem wilden Kaufverhalten haben wir in diesem Artikel bereits genau eine dieser Stolperfallen beleuchtet.

Mit einem digitalisiertem Beschaffungsprozess zur Maverick Buying Quote von <5 %

Um Beschaffungsprozesse durchgängig zu gestalten, braucht es Lösungen, die die einzelnen Schritte digital miteinander verbinden. Vom Beschaffungsantrag über die Lieferscheinerfassung und die digitale Rechnungsverarbeitung bis hin zur digitalen Akte. Die folgende Grafik zeigt den Prozessablauf.

SAP Archivierung: digitaler P2P-Prozess

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